Hessen

»Aufdeckung immer zufällig«

Angelika Nußberger über Fehlverhalten und Maßnahmen gegen rechtsextreme Tendenzen innerhalb der Polizei

von Detlef David Kauschke  29.07.2021 08:32 Uhr

Angelika Nußberger Foto: imago images / Günther Ortmann

Angelika Nußberger über Fehlverhalten und Maßnahmen gegen rechtsextreme Tendenzen innerhalb der Polizei

von Detlef David Kauschke  29.07.2021 08:32 Uhr

Frau Professor Nußberger, Sie haben eine Expertenkommission geleitet, die rechtsex­treme und antisemitische Äußerungen und ähnliches Fehlverhalten in der hessischen Polizei untersucht hat. Aus Berlin wurden jetzt ähnliche Vorfälle bekannt. Ein flächendeckendes Problem?
Wir haben nur Hessen analysiert, hatten aber auch einzelne Vorfälle in Nordrhein-Westfalen und Bayern im Blick. Leider steht zu befürchten, dass es noch mehr solcher Fälle gibt. Es hat sich auch gezeigt, dass das Fehlverhalten immer nur zufällig entdeckt wurde.

Liegt das an mangelnder Fehlerkultur?
Wir haben festgestellt, dass man versucht hatte, die Vorfälle herunterzuspielen. Vielleicht ist das auch verständlich, da man nicht den guten Ruf der vielen Polizeibeamten, die akkurat arbeiten und auf die kein Verdacht fallen soll, schädigen wollte. Aber aus unserer Sicht muss man das, was man aufdeckt, sehr ernst nehmen und in der Polizei vermitteln, dass es in keiner Weise entschuldbar ist, sondern dass rechtsextremistische und antisemitische Chats eine ganz tiefe menschenverachtende Dimension haben.

Wie hat sich das in der Polizei entwickelt?
Wir glauben, dass diejenigen, die dort zusammenarbeiten, und diejenigen, die zur Führungsebene der ersten Stufe gehören, die Tragweite der Thematik nicht genügend erkennen und nicht wissen, was in den einzelnen Teams stattfand und wie sie darauf reagieren sollen.

Zudem haben Sie die mangelnde Empathie für die Opfer kritisiert.
Wir haben auch die Jüdische Gemeinde Frankfurt und weitere Teile der Zivilgesellschaft eingeladen, um deren Sicht zu verstehen. Und dabei stellten wir Kommunikationsprobleme zwischen den Betroffenen und der Polizei fest, da die Beamten in ihrer Logik reagieren, aber nicht wirklich vermitteln, dass sie sich um die Betroffenen wirklich sorgen. Deshalb haben wir formuliert, dass die Opferperspektive auch die Polizeiperspektive sein muss.

Was ist zu tun?
Wir haben in zehn Handlungskomplexen zusammengefasst, an welchen Stellschrauben man drehen kann. Es kann nicht die eine Formel geben, nach der alles neu ausgerichtet wird; es ist ein komplexes Problem. Insgesamt ist mit dem Bericht eine Grundlage geschaffen worden, die auch in anderen Bundesländern Modellcharakter haben kann.

Können Sie konkrete Maßnahmen nennen?
Ein Vorschlag lautet, dass es zukünftig eine Abfrage beim Verfassungsschutz gibt, bevor Leute bei der Polizei eingestellt werden. Es erschien uns beispielsweise auch wichtig, jungen Polizeibeamtinnen und -beamten Richtlinien im Umgang mit sozialen Medien zu vermitteln. Sie haben eine gewisse Vorbildfunktion, und da gibt es bisher keine Handlungsanweisung.

Mit der Vorsitzenden der Expertenkommission zur Verantwortung der hessischen Polizei sprach Detlef David Kauschke.

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