Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hat zur Eindämmung des islamistischen Extremismus mehr europäische Zusammenarbeit angemahnt. »Das ist ein Kampf, den wir nur als Europäer gemeinsam bestehen können. Es ist keine nationale Frage«, sagte Laschet am Freitag in einer Online-Diskussion. Die jüngsten islamistischen Angriffe seien auch ein Anschlag auf Europa gewesen.
Notwendig sei deshalb mehr europäische Zusammenarbeit, insbesondere bei der Polizei. Zudem komme es darauf an, Radikalisierungen von Menschen hin zu Islamismus zu verhindern, sagte Laschet. Dafür brauche es genügend Präventionsprogramme. Ein kleiner Teil von Menschen, der bereit zur Radikalisierung sei, reiche schon aus, um Gewalttaten zu verüben, warnte Laschet.
Wichtig sei auch, dass Imame für den Religionsunterricht in Deutschland ausgebildet werden. Laschet betonte aber, Deutschland könne nicht so stark in die Belange der Religionsgemeinschaften eingreifen, wie dies in Frankreich möglich sei.
Der CDU-Politiker plädierte auch für eine differenzierte Herangehensweise. Im Falle der Türkei sei das Problem nicht die Förderung des Salafismus oder Terrorismus in deutschen Moscheen, sondern vielmehr die »Verquickung mit der türkischen Staatspolitik« des Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.
ZUSAMMENARBEIT Auch der Islamexperte Ahmad Mansour unterstrich die Bedeutung von Präventionsarbeit. »Wer Extremisten erst bekämpft, wenn sie zu Terroristen geworden sind, hat verloren«, sagte er. Ein Vorgehen gegen geistige Brandstifter, die Menschen in Parallelgesellschaften abdriften ließen, sei dabei auch Aufgabe der muslimischen Gemeinschaft.
»Wir brauchen eine Distanzierung religiöser Autoritäten von Gewalt«, betonte Mansour. Es fehle eine tragfähige europäische und globale Zusammenarbeit, kritisierte er. Schwachstellen würden immer wieder offenbar. Daher müsse der Informationsfluss zwischen Behörden wie Polizei, Geheimdiensten und Justiz besser werden.
Mansour wies auch darauf hin, dass die Präventionsarbeit in Europa wegen der Verschiedenheit der anzusprechenden Gruppen sehr unterschiedlich sei. Die Arbeit an Schulen müsse vor allem an Demokratieerziehung, Mündigkeit, der Akzeptanz unterschiedlicher Meinungen und Erziehungsmethoden und im Vorgehen gegen Antisemitismus ansetzen. Es sei zudem wichtig, dass Präventionsarbeit einen gewissen Standard habe und von Experten betrieben werde. Rasche Ergebnisse seien eher nicht zu erwarten: »Präventionsarbeit ist eine Generationenaufgabe.«
Obwohl zuletzt Frankreich im Fokus islamistischer Angriffe gestanden habe, handele es sich um kein spezifisch französisches Problem, sagte der frühere französische Premierminister Manuel Valls. Das Land sei laizistisch und republikanisch ausgerichtet und könne daher eine Zielscheibe für Terroristen sein – allerdings habe es Anschläge dieser Art auch in anderen Staaten in Europa und darüber hinaus gegeben. Dies seien Angriffe auf Europa, auf eine Kultur der Demokratie und Toleranz.
RELIGIONSFREIHEIT Valls forderte einen Islam, der den europäischen Werten verpflichtet sei. Dafür sei der Dialog mit den islamischen Ländern notwendig. »Wir müssen reden, offen und ehrlich«, so Valls. Ein Wandel sei möglich, betonte er, die Abwendung der Vereinigten Arabischen Emirate von der Muslimbruderschaft in den letzten Jahren hätte dies gezeigt. »Wir müssen auch zeigen: Europa, die Europäische Union, beschützt die Muslime.« Eine Reform des Islam brauche aber Zeit, sagte Valls. Noch sei es schwierig für viele islamische Länder zu akzeptieren, dass es einen »europäischen Islam« geben müsse. Dennoch dürfe man nichts von den eigenen Werten aufgeben, betonte er.
Der in Pakistan geborene britische Unterhausabgeordnete Rehman Chishti warnte davor, durch den Abbau religiöser Freiheitsrechte wie dem Schächten in Europa den Radikalen in die Hände zu spielen. »Was bringt so etwas? Es stößt religiöse Gemeinschaften nur vor den Kopf. Als politisch Verantwortliche sollten wir vielmehr zusammenstehen. Der Schutz religiöser Praktiken im Rahmen des Rechtsstaats ist dabei absolut zentral.”
RABBINERKONFERENZ Die Podiumsdiskussion fand vor dem Hintergrund der jüngsten islamistischen Anschläge in Paris, Nizza, Wien und Dresden statt. Veranstaltet wurde sie vom Institute for Freedom of Faith and Security in Europe (IFFSE). Das Institut hat seinen Sitz in München und Brüssel und ist eine Initiative der Europäischen Rabbinerkonferenz (CER). Es will als interdisziplinäre Denkfabrik einen Brückenschlag und Dialog zwischen Religionen, Gesellschaft, Politik und Wissenschaft bilden, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Sicherheit in Europa zu stärken.
Mit der Initiative sollen dem eigenen Anspruch zufolge religiöse Führer mobilisiert werden, eine aktive Rolle bei der Verbesserung der Sicherheit ihrer Gemeinschaften und der Bekämpfung des Missbrauchs von Religion zum Hassverbrechen, Extremismus, Radikalisierung und Terrorismus sowohl online als auch offline fördern und aktiv begleiten. epd/kna/mth