Rund ein halbes Jahr nach dem antisemitischen Anschlag von Halle hat die Bundesanwaltschaft Anklage gegen den mutmaßlichen Attentäter erhoben. Stephan B. ist »des Mordes in zwei Fällen sowie des versuchten Mordes in mehreren Fällen zum Nachteil von insgesamt 68 Menschen hinreichend verdächtig«, wie der Generalbundesanwalt in Karlsruhe am Dienstag mitteilte.
Zudem wird dem Attentäter gefährliche Körperverletzung, versuchte räuberische Erpressung mit Todesfolge, besonders schwere räuberische Erpressung, Volksverhetzung und fahrlässige Körperverletzung vorgeworfen. Die Anklage wurde am 16. April vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Naumburg erhoben.
In der Anklageschrift heißt es: »Stephan B. plante aus einer antisemitischen, rassistischen und fremdenfeindlichen Gesinnung heraus einen Mordanschlag auf Mitbürgerinnen und Mitbürger jüdischen Glaubens.«
Synagoge Dazu habe er sich mit acht Schusswaffen, mehreren Sprengsätzen, Helm und Schutzweste ausgerüstet und sei am 9. Oktober 2019 zur Synagoge in der Humboldtstraße in Halle gefahren.
Zum Zeitpunkt des Attentats hielten sich in der Synagoge zum höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur 52 Gläubige auf. Der Beschuldigte filmte seine Tat und verbreitete die Aufnahmen im Internet. Dort stellte er laut Anklage auch den NS-Völkermord an den Juden in Abrede.
Sein Plan, möglichst viele Juden in der Synagoge zu töten, scheiterte den Angaben zufolge an der geschlossenen Tür der Synagoge. Er erschoss dann laut Anklage eine 40 Jahre alte Passantin, die ihn zuvor auf sein Verhalten angesprochen hatte. Er soll mehrfach in ihren Rücken geschossen haben. In einem nahe gelegenen Döner-Imbiss erschoss Stephan B. zudem einen 20 Jahre alten Mann, wie es weiter hieß.
Auf der Flucht feuerte er in Landsberg-Wiedersdorf auf einen Anwohner mit Lebensgefährtin und verletzte sie schwer. Den Tod der beiden Personen nahm er dabei laut Anklageschrift billigend in Kauf. Der Prozess gegen den Attentäter soll in Magdeburg stattfinden.
Opferhilfe Sachsen-Anhalts Justizministerin Anne-Marie Keding (CDU) berichtete am Dienstag in Magdeburg über die geleistete Opferhilfe nach dem Terroranschlag. Seit Jahresbeginn gibt es in dem Bundesland eine zentrale Anlaufstelle für Opferberatung. Die Besetzung der Stelle eines Landesopferbeauftragten werde vorbereitet und soll noch in diesem Jahr erfolgen, erklärte Keding.
Den Angaben zufolge stellten vier Menschen Anträge auf Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz. An der Betreuung der Opfer beteiligten sich auch regionale Opferschutzverbände wie der Weiße Ring oder die Mobile Beratung für Opfer rechter Gewalt.
Intensiv eingebracht habe sich auch die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) bei der Betreuung und Begleitung der betroffenen Mitglieder der jüdischen Gemeinde, hieß es. Nach Auskunft der Unfallkasse befanden sich im Dezember 2019 zehn Personen in einer Traumabehandlung. Zur Zahl der Opfer insgesamt – mit Hinterbliebenen, Verletzten und Augenzeugen – konnten keine Angaben gemacht werden. epd