Der von arabischen Ländern erarbeitete Wiederaufbauplan für den Gazastreifen soll auch der Europäischen Union und den USA vorgelegt werden. Das sagte Ägyptens Außenminister Badr Abdel-Atti zum Ende eines Gipfeltreffens in Kairo. Sein Land will für den etwa 90 Seiten langen Plan, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, möglichst breite internationale Unterstützung gewinnen und den umstrittenen Vorschlägen von US-Präsident Donald Trump etwas entgegensetzen.
Der Plan sieht über einen Zeitraum von rund fünf Jahren zunächst die Beseitigung von Trümmern in Gaza und dann den Bau von vorübergehenden und dauerhaften Unterkünften für die dort lebenden Palästinenser vor. Die Kosten werden auf umgerechnet rund 50 Milliarden Euro geschätzt. Diese Summe haben auch die Vereinten Nationen für den Wiederaufbau des großflächig zerstörten Küstengebiets genannt. Zusagen für die Finanzierung von arabischen oder anderen Geberländern oder auch internationalen Institutionen sind bisher nicht bekannt.
Technokraten-Gremium soll Gaza kontrollieren
Das Papier erwähnt ein palästinensisches Gremium aus Technokraten, das während einer sechsmonatigen Übergangsphase die Kontrolle über den Gazastreifen übernehmen soll. Dies soll unter der »Schirmherrschaft« der palästinensischen Regierung geschehen, bevor die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) von Präsident Mahmud Abbas die Kontrolle vollständig übernimmt.
Die Fatah von Abbas lehnt eine Herrschaft mit den rivalisierenden Islamisten der Hamas in Gaza ab. Stattdessen strebt Abbas eine direkte Übernahme der Kontrolle durch die PA an. Die Hamas will die 2007 mit Gewalt erlangte Macht offenbar nicht abgeben und auch nicht die Waffen niederlegen. Israel lehnt eine Regierungsbeteiligung der Terrororganisation, die mit dem Oktober-Massaker von 2023 den Krieg begann, nach Kriegsende strikt ab - ebenso wie eine Übernahme der Kontrolle durch die PA.
Hamas begrüßt Pläne, Kritik von Israel
Die Hamas begrüßte, dass sich die Teilnehmer des Gipfels gegen die Vertreibung von Palästinensern aus dem Gazastreifen gestellt hätten. US-Präsident Trump hatte vorgeschlagen, die Menschen in andere Länder umzusiedeln, machte zu ihrem Rückkehrrecht aber widersprüchliche Angaben. Auch die Pläne zum Wiederaufbau des Küstenstreifens, für dessen Zerstörung sie selbst verantwortlich ist, bewertete die Hamas positiv.
Ein Sprecher des israelischen Außenministeriums kritisierte dagegen, bei dem Gipfel in Kairo sei nicht über »die Realitäten der Lage nach dem 7. Oktober 2023« gesprochen worden, sondern über »veraltete Perspektiven«. Die Hamas sei nicht für ihren mörderischen Terroranschlag in Israel verurteilt worden.
Israel lehne auch eine Beteiligung der Palästinensischen Autonomiebehörde und des UN-Palästinenserhilfswerks UNRWA ab. Beiden warf der Sprecher »Korruption und Unterstützung von Terrorismus« vor. Der Plan Trumps sei dagegen »eine Gelegenheit für die Menschen in Gaza, eine freie Wahl auf der Basis ihres eigenen Willens zu haben«.
Wohnungen für drei Millionen Menschen
Trump hatte kürzlich mit seinem Vorstoß Aufsehen erregt, den Gazastreifen unter Kontrolle der USA in eine wirtschaftlich florierende »Riviera des Nahen Ostens« zu verwandeln und die dort lebenden Palästinenser dafür in arabische Staaten der Region umzusiedeln. Angesichts der Tausenden von Toten und gewaltigen Zerstörungen im Gaza-Krieg gab es für Trumps Plan und seine Wortwahl viel Kritik. Die Empörung wurde durch ein von ihm verbreitetes Video mit einer KI-generierten Zukunftsvision des Gazastreifens noch lauter.
Der ägyptische Plan sieht Hunderttausende neue Wohnungen für drei Millionen Bewohner bis 2030 sowie den Bau eines Flug- und eines Seehafens vor. Zudem soll es Industriegebiete geben, aber auch Hotelanlagen, Parks und Strände, um sogar Tourismus im derzeitigen Kriegsgebiet zu fördern.
Der Plan empfiehlt auch direkte Gespräche zwischen Israelis und Palästinensern und enthält die erneute Forderung einer Zweistaatenlösung, die aber in den vergangenen 25 Jahren zweimal von den Palästinensern abgelehnt wurde. Auch angesichts des Kriegs zwischen Israel und der Hamas scheinen solche Gespräche derzeit faktisch ausgeschlossen.
Aufruf zur Entsendung von Friedenstruppen
Zum Gipfel in Kairo empfing Ägyptens Präsident und Gastgeber Abdel Fatah al-Sisi unter anderem den König von Bahrain, den Emir von Katar sowie UN-Generalsekretär António Guterres und EU-Ratspräsident António Costa. Guterres sagte, die Palästinenser hätten »mehr als die Hölle durchgestanden«.
In der Abschlusserklärung riefen die Gipfelteilnehmer den UN-Sicherheitsrat dazu auf, Friedenstruppen nach Gaza und ins Westjordanland zu entsenden. Damit würde die Sicherheit für Palästinenser wie auch für Israelis verstärkt und der Weg zu einem Palästinenserstaat geebnet, hieß es.
Die Hamas bekräftigte unterdessen die Ablehnung einer von Israel geforderten Entmilitarisierung des Gazastreifens. Eine Entwaffnung der Gruppe sei eine »rote Linie« bei den Verhandlungen über die Fortsetzung der Waffenruhe-Vereinbarung, sagte ein Sprecher der Hamas der Deutschen Presse-Agentur.
Kein Durchbruch in Sicht
Israels Außenminister Gideon Sa’ar hatte zuvor laut Medienberichten gesagt, Israel sei bereit, zur zweiten Phase der Waffenruhe-Vereinbarung mit der Hamas überzugehen, sollte diese alle Geiseln freilassen und der Gazastreifen vollständig entmilitarisiert werden. Dort gibt es neben der Hamas weitere Terrororganisationen, die Israel ebenfalls vernichten wollen.
Am Wochenende ging die erste Phase einer Waffenruhe im Krieg zwischen Israel und der Hamas zu Ende. Bisher konnten sich beide Seiten nicht auf die Konditionen einer Fortsetzung einigen. Es wird befürchtet, dass der Krieg wieder neu aufflammen könnte. Auch deshalb ist völlig offen, ob und wann die ägyptischen Pläne umgesetzt werden könnten. dpa/ja