Seit 2008 zieht die umstrittene Ausstellung, die die Gründung des Staates Israel 1948 als Katastrophe darstellt, durch Deutschland. Ab nächster Woche soll Die Nakba – Ausstellung zur Situation der Palästinenser in Stuttgarts Haus der Katholischen Kirche zu sehen sein, danach in der Evangelischen Akademie Bad Boll bei Göppingen.
Nun hat der Antisemitismusbeauftragte der baden-württembergischen Landesregierung, Michael Blume, die Ausstellung kritisiert. Sie stelle die Geschichte im Nahen Osten nur einseitig dar, sagte Blume am Samstag in Stuttgart. Er erinnerte zudem daran, dass nach der Staatsgründung Israels und dem folgenden Angriff der arabischen Nachbarstaaten Hunderttausende Juden vertrieben worden seien, zum Beispiel über 140.000 Juden aus dem Irak. Darüber informiere die Ausstellung nicht, hob Blume hervor.
bds Getragen wird die Ausstellung unter anderem von der immer wieder in der Kritik stehenden katholischen Organisation pax christi. Die Schau findet im Rahmen der Ökumenischen Woche für Frieden in Israel und Palästina 2018 statt, zu der mehrere Unterstützer der israelfeindlichen BDS-Bewegung als Referenten eingeladen wurden.
»Heizt es den Konflikt nicht eher an, wenn wir uns nur mit einer Seite identifizieren und die andere ausblenden?«, fragte der Antisemitismusbeauftragte. »Von Deutschland aus lässt sich der Nahostkonflikt nicht lösen, und wir sind als Oberlehrer auch nicht gefragt.«
Der Stuttgarter Landtag habe die Bewegung »Boycott, Divest and Sanction« (BDS) klar und deutlich verurteilt. Blume sagte, er hoffe auf entsprechende Beschlüsse auch der Kirchen und ihrer Akademien. Wer wirklich etwas für den Frieden und die Menschen in der Region erreichen wolle, sollte nicht durch Boykottaufrufe und einseitige Darstellungen weiteres Öl ins Feuer gießen, sondern den fairen Dialog und konstruktive Projekte suchen.
aufklärung Auch die Deutsch-Israelische Gesellschaft der Region Stuttgart protestiert gegen die Schau. »Die Ausstellung hat nichts mit Aufklärung und sachlicher Diskussion zu tun. Sie schürt judenfeindliche Vorurteile«, hieß es in einer Mitteilung der Vorsitzenden Bärbel Illi.
»Die Vorstellung, die Juden seien ins Land der Palästinenser eingedrungen, hätten sie vertrieben und ihnen ihre Heimat geraubt, ist leider weit verbreitet«, so Illi weiter. Weitgehend unberührt von historischen Kenntnissen werde diese palästinensische Erzählung nur allzu bereitwillig geglaubt.
Die Schau steht bereits seit mehreren Jahren in der Kritik. Die Ausstellungsmacher ficht die Kritik dagegen nicht an. In der Vergangenheit erklärten sie in einer Stellungnahme, die deutsche Schuld an der Schoa habe »dazu geführt, dass Gesellschaft, Politik und Medien ganz überwiegend das israelische Verständnis dieses Zeitabschnitts verinnerlicht haben«.
proteste In mehr als 100 meist deutschen Städten war die Ausstellung bislang zu sehen. Nach Protesten jüdischer Gemeinden und der Deutsch-Israelischen Gesellschaft konnte sie in der Vergangenheit in mehreren Städten verhindert werden.
Der Leiter des Hauses der Katholischen Kirche Stuttgart, Roland Weeger, verteidigte das Ausstellungskonzept. Er räumte zwar ein, dass die Schau einseitig die Perspektive der Palästinenser darstelle. Doch werde deren Sicht in Deutschland eher selten erzählt, teilte Weeger auf Anfrage mit. Die Ausstellung müsse im Stuttgarter Gesamtrahmen betrachtet werden. Im November sei im Stuttgarter Rathaus die Ausstellung 1948 geplant, die aus israelischer Perspektive die Staatsgründung vor 70 Jahren veranschauliche.
Weeger betonte, die »Nakba«-Ausstellung werde von vielen christlichen Organisationen – darunter die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in Baden-Württemberg, der Dienst für Mission, Ökumene und Entwicklung der Evangelischen Landeskirche in Württemberg und pax christi – getragen.
Sie sei weder antisemitisch noch rufe sie zum Boykott Israels auf. Kritik an der Politik Israels dürfe nicht mit Antisemitismus gleichgesetzt werden, unterstrich Weeger. Er warb für einen Dialog zwischen Gegnern und Befürwortern der Politik Israels.
bischof Der württembergische evangelische Landesbischof Frank Otfried July sagte am Sonntag, die Situation in Israel und den palästinensischen Autonomie-Gebieten erfordere »kontinuierliche Arbeit«.
Dazu gehöre, auf beiden Seiten diejenigen zu stärken, die auf geduldige Dialoge und gewaltfreie Lösungen setzten. »Ansinnen und Vorgehen der BDS-Bewegung lehnt die Evangelische Landeskirche in Württemberg ab«, betonte der Bischof. epd/ja