Geraldine Rauch, die Präsidentin der Technischen Universität (TU) in Berlin, hatte jüngst versichert, ihre Bildungseinrichtung sei ein »sicherer Ort zum Studieren, Forschen, Arbeiten«. Antisemitismus wolle und werde sie nicht dulden.
Nun zeigt sich: Posts, die sie auf der Internetplattform X mit »Gefällt mir«-Klicks versah, sprechen eine andere Sprache: Israelfeindliche und sogar antisemitische Aussagen und Bilder gehören dazu. Dies bringt Rauch nun heftige Kritik ein.
Der Historiker Michael Wolffsohn reagierte gegenüber der Jüdischen Allgemeinen, indem er erklärte, die Worte und Taten von Geraldine Rauch – zumindest Juden und Israel gegenüber – hätten mit Wissenschaft und Toleranz nichts zu tun.
»Antijüdische Provokation«
»Dass sie Juden gegenüber nicht einmal minimale Empathie aufbringt, beweist ihre Ernennung des TU-Antisemitismusbeauftragten. Einen solchen gegen den ausdrücklichen Willen des deutschjüdischen Zentralrats zu bestallen, ist eher antijüdische Provokation als Bekämpfung des Antisemitismus. Schöne Grüße von George Orwells 1984: »Freiheit ist Sklaverei, Frieden ist Krieg«, sagte Wolffsohn.
Auch laut Samuel Salzborn sind die Likes von Geraldine Rauch mehr als befremdlich: Die TU-Präsidentin müsse nun beantworten, ob sie sich die gelikten israelfeindlichen und antisemitischen Inhalte zu eigen gemacht habe, so der Berliner Antisemitismusbeauftragte.
Falls dies der Fall sei, »scheint die kürzliche Ankündigung der TU, diese mit Blick auf Antisemitismusbekämpfung als ›sicheren Ort zum Studieren, Forschen, Arbeiten und Austausch‹ zu verstehen, ausgesprochen fragwürdig«, gab Salzborn auf Anfrage an.
»Es bedarf dringend einer Klärung durch die TU-Präsidentin, denn sonst ist die Erklärung der TU zum ›sicheren Ort‹ für jüdische und israelische Studierende und Wissenschaftler am Ende das Papier nicht wert, auf dem sie steht«, so Salzborn.
»Antisemitischen Narrative«
Salzborns Kollege Felix Klein, der Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus, sieht ebenfalls ein Problem mit den von der TU-Präsidentin gelikten Tweets: »Jüdische Studierende erleben seit dem 7. Oktober eine völlig inakzeptable Situation. An vielen Hochschulen müssen sie um ihre Sicherheit fürchten, weil dort organisiert antisemitisch gehetzt wird«, sagte Klein der Jüdischen Allgemeinen.
»Um diesen unerträglichen Zustand zu beenden, müssen die Hochschulleitungen deutlich machen, dass Judenhass auf dem Campus nicht geduldet wird.«
Klein fügte hinzu: »Ich kann mir jedoch nicht vorstellen, dass jüdische Studierende einer Universitätspräsidentin das Vertrauen schenken, sie vor Hass und Hetze zu schützen, wenn diese öffentlich Aussagen befürwortet, die genau die antisemitischen Narrative reproduzieren, wegen der Jüdinnen und Juden auf dem Campus nicht mehr sicher sind.«
Von morgens bis abends
Auch Volker Beck, der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, übt scharfe Kritik: »Als ich gestern die Timeline der Präsidentin der Technischen Universität bei X angesehen habe, war ich zunächst sprachlos: Einseitig, Israel delegitimierend, wie ein antiisraelischer Aktivistenaccount«, teilte er dieser Zeitung mit.
»Ich musste unwillkürlich an Artikel 5 des Grundgesetzes denken: ›Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.‹ Ein Vorbild scheint mir die Präsidentin da nicht zu sein«, so der frühere Bundestagsabgeordnete der Grünen. »Ich bin gespannt auf die Fehlerkultur der Technischen Universität und erwarte eine Erklärung.«
Der DIG-Chef fügte hinzu: »Dass selbst ein von Katar finanzierter Professor mit einem antiisraelischen Tweet von ihr geliked wird, der seinen Israelhass von morgens bis abends ins Netz kübelt, ist schon sehr verstörend. Das sind ja alles keine Einzelfälle, die immer mal passieren können. Das hat System.«
»Schlicht infam«
Für das American Jewish Committee Berlin erklärte dessen Direktor Remko Leemhuis: »Es ist schlicht infam, wenn eine Universitätspräsidentin einen Post liked, in dem der israelische Ministerpräsident als Nazi antisemitisch diffamiert wird.«
Hier stelle sich die Frage, wie der Kampf gegen den israelbezogenen Antisemitismus geführt werden könne, der gerade insbesondere an den Berliner Hochschulen explodiere, wenn die Präsidentin solche antisemitischen Posts mit Likes versehe.
»Dadurch wird den jüdischen Studierenden erneut sehr deutlich gemacht, dass sie auch an der TU Berlin auf keine Unterstützung des Personals hoffen können. Ob sich das Amt einer Präsidentin einer Universität mit solchen Haltungen vereinbaren lässt, ist in jeder Hinsicht sehr fraglich«, sagte Leemhuis.
Für Noam Petri, Vizepräsident der Jüdischen Studierendenunion (JSUD), stellt sich die Uni-Präsidentin mit ihrem Verhalten einmal mehr ins Abseits: »Man muss kein Befürworter von Netanjahu sein. Doch ein Bild zu liken, das ihn mit Hakenkreuzen beschmiert darstellt, ist einer Berliner Universitätspräsidentin unwürdig. Es relativiert zudem den Nationalsozialismus.« Diese Entgleisung stelle auch eine Enthemmung dar, die zudem den politischen Diskurs unmöglich mache, meint Petri.
Nachtrag: Mittlerweile hat Geraldine Rauch ihren »X«-Account gelöscht.