Gegen die Landesbereitschaftspolizei in Sachsen-Anhalt sind Antisemitismus-Vorwürfe erhoben worden. Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) berichtete am Montag in Magdeburg von einer anonymen E-Mail, die ihm am 9. Oktober bekannt geworden sei.
Darin heißt es, dass ein Imbiss in der Bereitschaftspolizei als »Jude« bezeichnet worden sei. In der E-Mail hieß es weiter, die komplette Dienststelle habe diesen Umstand gekannt und nichts dagegen unternommen. Stahlknecht erklärte, er habe dies zum Anlass genommen, unverzüglich erste Ermittlungen einzuleiten. Die Vorwürfe hätten sich bestätigt.
Stahlknecht kündigte am Montag die Einsetzung einer Sonderkommission zu institutionellem Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in der Landespolizei Sachsen-Anhalt an. Zudem werde sich Sachsen-Anhalt der niedersächsischen Studie zu extremistischen Denkweisen in der Polizei anschließen und einen Extremismusbeauftragten einsetzen.
Stahlknecht war zuletzt selbst in Kritik geraten, weil er als Grund für Personalengpässe bei der Polizei die verstärkten Schutzmaßnahmen vor jüdischen Einrichtungen genannt hatte.
Die Landespolizeipfarrerin Thea Ilse werde zielgruppenorientiert Fortbildungsmaßnahmen gegen Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus konzipieren und durchführen, so Stahlknecht.
Er sei über die Vorwürfe zutiefst betroffen und erschüttert, sagte Stahlknecht: »Mein persönlicher Wertekanon steht für uneingeschränkte Religionsfreiheit und für ein friedliches Miteinander und die Freiheit der Kulturen. Dafür stehe ich ein.«
Der Innenminister war zuletzt selbst in Kritik geraten, weil er als Grund für Personalengpässe bei der Polizei die verstärkten Schutzmaßnahmen vor jüdischen Einrichtungen genannt hatte. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hatte Stahlknecht vergangene Woche massiv kritisiert und dessen Eignung für das Amt angezweifelt.
»Mit seinen Äußerungen suggeriert Minister Stahlknecht, Juden seien schuld daran, wenn sich die Polizei um die Belange der übrigen Bevölkerung nicht mehr angemessen kümmern könne«, sagte Schuster dem Redaktionsnetzwerk Deutschland und fügte hinzu: »Ein Landesinnenminister scheut sich nicht, Juden als privilegiert darzustellen und sie gegen andere Bevölkerungsgruppen auszuspielen. Damit befördert er Antisemitismus. Das ist ein Armutszeugnis.«
»Es stellt sich die Frage, ob Holger Stahlknecht weiter für das Amt des Innenministers geeignet ist.«
Zentralratspräsident Josef Schuster
Eine solche Einstellung mache den Zentralrat nach dem Anschlag von Halle und dem jüngsten antisemitischen Angriff in Hamburg «fassungslos», so Schuster weiter: »Es stellt sich die Frage, ob Holger Stahlknecht weiter für das Amt des Innenministers geeignet ist.«
BESUCH Stahlknecht hatte vor einiger Zeit das Polizeirevier Dessau-Roßlau besucht, aus dem sich mehrere Beamte in häuslicher Quarantäne befinden. Dabei hieß es auch, das vergleichsweise kleine Revier habe seit dem Attentat auf die Synagoge von Halle monatlich 1500 Arbeitsstunden zusätzlich geleistet, um die Bewachung jüdischer Einrichtungen in Dessau abzusichern. Es könne deshalb sein, dass die Polizei nicht bei jeder anderen Anforderung pünktlich zur Stelle sei, hatte Stahlknecht gesagt: »Diese 1500 Stunden fehlen woanders.«
Nach dem Anschlag in Halle hieß es, der Jüdischen Gemeinde sei erbetener Polizeischutz stets versagt worden.
Der Minister wies den Vorwurf zurück. »Mein Ziel war und ist es, deutlich zu machen, dass die erhöhte Polizeipräsenz zum Schutz der jüdischen Einrichtungen für mich nicht verhandelbar ist und oberste Priorität in meinem Handeln hat«, betonte der CDU-Politiker. Der Schutz jüdischer Einrichtungen war nach dem Anschlag von Halle vor rund einem Jahr in ganz Sachsen-Anhalt erhöht worden.
»Ich bin zutiefst betroffen und erschüttert, dass meine Äußerungen offensichtlich für ein Missverständnis gesorgt haben«, so Stahlknecht. Allen sei bewusst, dass der Anschlag von Halle eine Zäsur in der Geschichte des Landes gewesen sei.
Stahlknecht bezeichnete den Schutz jüdischer Einrichtungen in Sachsen-Anhalt durch die Polizei als oberste Priorität bezeichnet. »Vornehmste Aufgabe muss es sein, jüdische Einrichtungen vor Anschlägen zu schützen.« Dem habe sich polizeiliches Handeln und die Einsatzplanung unterzuordnen, sagte Stahlknecht am Dienstag im RBB-Inforadio.
Weiter kündigte Stahlknecht eine Vereinbarung mit jüdischen Gemeinden an, dass Gelder für den Schutz zur Verfügung gestellt werden.
Weiter kündigte Stahlknecht eine Vereinbarung mit jüdischen Gemeinden an, dass Gelder für den Schutz zur Verfügung gestellt werden. Sie soll im Rahmen einer Kabinettsitzung am Dienstag in Halle unterzeichnet werden. Außerdem sei ein Staatsvertrag mit den Gemeinden in Vorbereitung.
VORGESCHICHTE Die Kritik Schusters an Stahlknecht hat eine Vorgeschichte. Nach dem Angriff auf die unbewachte Synagoge, der an einer Holztür scheiterte, hatte der Minister gesagt, die Beamten hätten »gute Arbeit« geleistet. Außerdem habe eine »unregelmäßige Bestreifung« der Synagoge der Gefährdungsbewertung des Bundeskriminalamtes entsprochen. Die Polizei sei zudem Bitten der jüdischen Gemeinde um Schutz stets nachgekommen.
Schuster nannte diese Äußerungen damals »irritierend« und betonte: »Bei einer derart unkritischen Bewertung muss man sich zwangsläufig die Frage stellen, ob die Bereitschaft besteht, aus begangenen Fehlern Lehren zu ziehen und strukturelle Änderungen bei den Sicherheitsbehörden vorzunehmen.« Zudem hieß es, der jüdischen Gemeinde sei erbetener Polizeischutz stets versagt worden. kna/ja/dpa/epd