Von »Israelhetze« und offenem Antisemitismus ist die Rede. Vorgeworfen wird dies einer Lehrbeauftragten am renommierten Otto-Suhr-Institut (OSI) für Politische Wissenschaft der Freien Universität Berlin. Die Politologin Eleonora Roldán Mendívil soll im Internet den Staat Israel als »Apartheidregime« bezeichnet und palästinensischen Terrorismus gerechtfertigt haben.
Im laufenden Semester bietet Roldán Mendívil ein Proseminar »Rassismus im Kapitalismus« an. Dort lehre sie Israelhass, wurde ihr in einem Blog Ende Dezember vorgeworfen. Roldán Mendívil sagt zur Jüdischen Allgemeinen, in dem Seminar werde »weder Israel thematisiert, noch werden die verschiedenen Formen des politischen Zionismus behandelt«.
blog Die Kritik des Blogs griff die studentische Hochschulgruppe »Gegen jeden Antisemitismus« auf und schrieb Anfang Januar dem FU-Präsidium, dass Roldán Mendívil in ihrem deutschsprachigen Blog »Cosas que no se rompen«, den sie nach eigener Aussage bis Mitte 2016 betrieb, das Existenzrecht Israels bestreitet.
»In keiner der Aussagen auf besagtem Blog bediene ich antijüdisch-rassistische Denkmuster«, entgegnet die aus Peru stammende Roldán Mendívil. »Vieles, was dort stand, würde ich heute nicht so sagen oder vertreten.« Zugleich sagt sie, der politische Zionismus habe »koloniale Methoden wie Vertreibung, Landraub und ethnische Säuberung angewendet«, und verweist auf israelische Historiker wie Ilan Pappe und Tom Segev.
Die Gruppe »Gegen jeden Antisemitismus« sagt, es sei »inakzeptabel, dass einer radikalen Antizionistin, die Israel als Kolonial- und Apartheidstaat bezeichnet«, eine Plattform geboten wird«. Die Gruppe gibt es seit zwei Jahren, sie veranstaltet an der FU Vorträge, und weil es schon Drohungen gegen Mitglieder der Gruppe gab, möchte sich niemand namentlich äußern.
reaktion Die OSI-Führung reagierte schnell. Man nehme die Vorwürfe sehr ernst, heißt es in einer Stellungnahme. Man werde unverzüglich die »Vorwürfe einer israelfeindlichen oder gar antisemitischen Publikationspraxis« wissenschaftlich prüfen. So lange werde Roldán Mendívil keinen Lehrauftrag erhalten. Bernd Ladwig, Sprecher der OSI-Geschäftsführung, sagt, man werde »intern erst einmal prüfen, was in dem Seminar passiert«. Was die Blogeinträge angeht, sei das OSI zwar nicht zuständig, gleichwohl »müssen wir uns fragen, ob wir eine Sorgfaltspflicht zur Genüge ausgeübt haben«.
Die Gruppe »Gegen jeden Antisemitismus« begrüßt die schnelle Reaktion, und auch Roldán Mendívil sagt, es sei richtig, »solch schwere Vorwürfe wie die einer angeblichen antisemitischen Motivation für die universitäre Lehre und Forschung zu überprüfen«. Sie wirft der OSI-Führung jedoch vor, den Behauptungen »eines Blogs mit offen rechten Inhalten« geglaubt zu haben und »ohne mit mir dazu zuvor eine kollegiale Klärung gesucht zu haben«, an die Öffentlichkeit gegangen zu sein.
Das OSI plant, bald eine Podiumsdiskussion zu veranstalten, wo es um »die Grenze zwischen einer wissenschaftlich relevanten Kritik und einer Verunglimpfung Israels und seiner Politik« geht sowie darum, »was eine wissenschaftlich vertretbare von einer denunziatorischen Verwendung des Antisemitismusvorwurfs unterscheidet«.
petition Derweil gibt es auf der Onlineplattform change.org eine Petition an das OSI, die sich gegen eine »Vorverurteilung der Lehrbeauftragen« wendet – und sich zugleich als »Solidaritätserklärung« versteht. Da ist von »Diffamierungsversuchen« und der Bedrohung der »Existenzgrundlage einer jungen Wissenschaftlerin« die Rede. Unterstützer von Roldán Mendívil wie die umstrittene Publizistin Sophia Deeg sprechen gar von einer »engagierten und qualifizierten Akademikerin«, und der gleichfalls umstrittene Publizist Ludwig Watzal behauptet, das OSI sei »in die Hände von Neokonservativen und zionistischen Extremisten gefallen«.
Bernd Ladwig spricht von einem »schmalen Grat, auf dem wir gehen«. Bedrohungen der Freiheit der Wissenschaft sieht der Professor für Politische Theorie nicht, »ich würde eher von Klärung der akademischen Sorgfaltspflichten sprechen«.
In der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst in Hildesheim musste im November 2016 die Hochschulpräsidentin ihren Posten räumen, weil jahrelang ein Seminar angeboten wurde, in dem antiisraelische Inhalte gelehrt worden waren.