Die Zahl der gemeldeten antisemitischen Äußerungen, Drohungen und Attacken in Österreich hat im Vorjahr einen Höchststand erreicht. Die Meldestelle der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien (IKG) zählte landesweit 585 Vorfälle - so viele wie nie zuvor seit Beginn der Erhebungen vor 19 Jahren. Der Anstieg um rund sechs Prozent im Jahresvergleich habe unter anderem mit der Corona-Pandemie zu tun, schrieb die Kultusgemeinde am Montag in ihrem Bericht.
Während zu Beginn der Pandemie nur wenige Fälle registriert wurden, verzeichnete die Meldestelle einen sprunghaften Anstieg, als im November Proteste gegen Corona-Maßnahmen der Regierung aufflammten. »Speziell im Internet und auf vielen Demos wurden wüste antisemitische Lügen verbreitet«, schrieb IKG-Präsident Oskar Deutsch. Bei den Protesten waren auch Teilnehmer mit sogenannten »Judensternen« aufgetaucht, mit dem sie die Stigmatisierung der Juden durch Nationalsozialisten mit ihrer eigenen Situation gleichsetzten.
Außerdem vermutet die IKG, dass die Präsentation des Online-Auftritts der Meldestelle im November zu vermehrten Meldungen geführt hat. Rund 40 Prozent der Vorfälle hatten einen politisch rechten Hintergrund, 15 Prozent wurden dem linken Spektrum zugeordnet, und bei 13 Prozent wurden islamistische Motive ausgemacht.
Im Jahr 2020 wurden elf physische Angriffe auf Juden gemeldet, fast doppelt so viel wie im Jahr davor. Unter anderem wurde der Präsident der Jüdischen Gemeinde in Graz im August von einem Mann attackiert. Die Meldestelle zählte zudem 22 Bedrohungen, 53 Sachbeschädigungen, 135 Massenzuschriften und 364 antisemitische Beleidigungen. dpa