In Sachsen sind im vergangenen Jahr 136 antisemitische Straftaten begangen worden. Das waren 33 mehr als 2017 und rund 50 mehr als noch 2016, wie das sächsische Innenministerium in Dresden am Montag mitteilte.
Beim Tathintergrund dominierten demnach mit einem Anteil von mehr als 95 Prozent rechte Einstellungsmuster. Eine Zunahme antijüdischer Hetze mit muslimischem oder islamistischem Hintergrund spiele angesichts nur dreier Fälle in den vergangenen zwei Jahren im Freistaat bislang keine Rolle.
KRITIK Allerdings stehen die Polizeiliche Kriminalstatistik (PSK) und die Angaben aus dem Innenministerium häufig in der Kritik, weil diese Zahlen nicht das Ausmaß antisemitischer Vorfälle in Deutschland widerspiegeln und die Tätergruppen ungenau erfasst werden.
Bezogen auf die Gesamtzahl der Taten landet Sachsen im bundesweiten Vergleich im Mittelfeld.
Dies kritisierte unlängst auch Felix Klein, Antisemitismusbeauftragter der Bundesregierung, im Interview mit dieser Zeitung. »Aus den jüdischen Gemeinden höre ich, dass die subjektive Wahrnehmung der Bedrohung durch muslimisch geprägten Antisemitismus größer ist, als es in der Kriminalstatistik zum Ausdruck kommt.« Deshalb müsse die Kriminalstatistik dringend überprüft, darüber hinaus aber auch ein niederschwelliges bundesweites Erfassungssystem antisemitischer Übergriffe eingeführt werden.
NAHOSTKONFLIKT Bezogen auf die Gesamtzahl der Taten schneide Sachsen im bundesweiten Vergleich durchschnittlich ab und belege in einem »Negativranking einen Platz im Mittelfeld«, erklärte das Ministerium weiter. Antisemitische Straftaten kämen in allen Landkreisen vor, die meisten würden in den Großstädten Dresden und Leipzig gezählt. Häufungen seien meist dann zu verzeichnen, »wenn der Konflikt zwischen Israel und Palästinensern aufflammt«, wie es etwa im Frühjahr 2018 der Fall gewesen sei.
Zuvor hatte die Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz (Linke) unter Berufung auf Antworten des Innenministeriums auf mehrere parlamentarische Anfragen leicht abweichende Zahlen veröffentlicht.
Zugleich wies die Abgeordnete darauf hin, dass die Zahlen vorläufig und Nachmeldungen möglich seien. Das Innenministerium nannte auf Nachfrage eigenen Angaben zufolge die endgültigen Zahlen, wie sie zwischen Landes- und Bundeskriminalamt abgestimmt worden seien.
DELIKTE Bei den 2018 begangenen judenfeindlichen Straftaten handelte es sich demnach zu mehr als zwei Dritteln um Volksverhetzungen und Propagandadelikte. »Gewaltdelikte bilden die Ausnahme und sind auf Einzelfälle beschränkt«, erklärte das Ministerium.
Laut Köditz kam es im vergangenen Jahr zu 20 Sachbeschädigungen, sieben Bedrohungen und Beleidigungen, zwei Fällen von Landfriedensbruch und einer Brandstiftung. Sie sprach von einer gefährlichen Entwicklung, die gestoppt werden müsse und wiederholte die Forderung ihrer Partei, einen Antisemitismusbeauftragen in Sachsen zu installieren.
»Gewaltdelikte bilden die Ausnahme und sind auf Einzelfälle beschränkt«, erklärte das Ministerium.
Die Ankündigung der schwarz-roten Landesregierung, einen »Beauftragten für die Förderung des jüdischen Lebens« einzusetzen, bezeichnete die Abgeordnete als einen wichtigen Vorstoß. Zu den Kernaufgaben des Beauftragen müsse jedoch die Bekämpfung des Antisemitismus gehören.
»Und vor allem muss endlich entschlossen gehandelt werden, denn die Ankündigung ist seit Monaten nicht umgesetzt«, betonte Köditz. Bei Antisemitismus gebe es keine Toleranz. epd