Juden- und Israelfeindlichkeit sind bei einer Vielzahl von arabischen Geflüchteten laut einer neuen wissenschaftlichen Studie tief verankert. Für die nicht repräsentative Untersuchung im Auftrag des American Jewish Committee (AJC) Berlin befragte der Historiker und Antisemitismusforscher Günther Jikeli im Dezember vergangenen Jahres 68 in Berlin lebende Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak in Gruppeninterviews.
Dabei sei er neben einer latenten Israelfeindlichkeit unter den Befragten, die zur Staatsdoktrin der Herkunftsländer gehöre, auch auf gängige antisemitische wie des »reichen, mächtigen Juden« oder islamistische Stereotype wie des »Juden, der den Propheten vergiften wollte«, gestoßen, sagte Jikeli bei der Präsentation am Mittwoch in Berlin.
stimmungsbild Doch das Bild ist laut dem Studienautor nicht einheitlich. Viele der Kurden unter den Interviewten lehnten antisemitische Stereotype und Vorstellungen explizit ab und zogen Parallelen zwischen dem kurdischen Volk und den Juden als verfolgte Minderheit, sagte Jikeli. Im Staat Israel sehen sie zum Teil ein Modell für einen eigenen kurdischen Staat im arabischen Raum. Die Studie sei nicht repräsentativ, betonte Jikeli, gebe aber ein Stimmungsbild wieder.
Viele der Aussagen seien durch die Befragung von 85 weiteren Flüchtlingen in Einzelinterviews in diesem Sommer untermauert worden. Ausgemacht hat der Wissenschaftler eine starke Tendenz unter den Befragten zu Verschwörungstheorien, die besonders in den sozialen Medien Verbreitung finden. So wurden von den Geflüchteten wiederholt die Protokolle der Weisen von Zion rezitiert oder behauptet, dass die Anschläge vom 11. September 2001 auf das Konto der Juden gingen.
Viele der Interviewten berichteten zudem von einer weit verbreiteten Judenfeindschaft in ihren Herkunftsländern und hielten deshalb bestimmte Formen des Antisemitismus für selbstverständlich. Einige der Geflüchteten würden sich auch sehr stark mit dem »Palästinensismus« identifizieren oder der panarabischen Ideologie anhängen und daraus eine automatische Feindschaft zu Israel und den Juden ableiten, sagte Jikeli.
existenzrecht Andere sprächen wiederum Israel grundsätzlich das Existenzrecht ab oder behaupteten, es gebe den jüdischen Staat gar nicht. »Einige differenzieren aber auch zwischen Israelis und Juden«, sagte Jikeli. Juden würden von ihnen nur als religiöse Minderheit wahrgenommen, mit denen man in den Herkunftsländern friedlich zusammenlebte. Als Volk mit eigener Nation würden sie aber nicht angesehen.
Auf große Wissenslücken der Geflüchteten stieß der Forscher beim Thema Holocaust. »Viele hatten da nur ein rudimentäres Wissen«, hat Jikeli beobachtet. Große Zweifel äußerten viele an der Zahl der von den Nazis ermordeten Juden oder unterstellen Israel, den Massenmord zur Rechtfertigung der »Besetzung Palästinas« zu instrumentalisieren. Sympathien für den Holocaust seien dagegen nur Einzelstimmen. »Die meisten bezogen ihr Wissen über die Schoa aus ihren Integrationskursen in Deutschland und waren schockiert über das, was sie da hören.«
Der Wissenschaftler räumte ein, dass die Methode von Gruppeninterviews, durchaus problematisch ist. »Wir wollten aber auch die Dynamiken herausfinden, die in solchen Gruppen entstehen«, sagte Jikeli. Grundsätzlich sei es schwierig, an Flüchtlinge für wissenschaftliche Befragungen heranzukommen. Das habe mit den Erfahrungen in den Herkunftsländern zu tun. Dort sitze bei Interviews in der Wahrnehmung der Menschen immer »der Staat mit am Tisch«. epd