Herr Kauder, die CDU/CSU-Bundestagsfraktion veranstaltet am 20. Mai den Kongress »Jüdisches Leben in Deutschland – Ist es gefährdet?«. Was ist der Anlass?
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion steht mit den Vertretern der Juden in Deutschland in engem Kontakt. Dass sich jüdisches Leben in Deutschland nach der Schoa überhaupt wieder entwickeln konnte, ist für mich eines der größten Wunder der Nachkriegsgeschichte. Wir müssen dieses Wunder bewahren und stärken. In unseren Gesprächen ging es daher auch immer um die Frage, ob sich die Juden sicher fühlen. Denn die Sicherheit ist die Grundbedingung dafür, dass sich Menschen zu Hause fühlen können. Als der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, zu Beginn des Jahres jedoch formulierte, dass die Juden in einigen Vierteln besser nicht die Kippa tragen sollten, waren wir alarmiert. Das war für uns der Anlass, diesen Kongress zu planen.
Der besorgniserregende Anstieg antisemitischer Straftaten wird nicht zuletzt in der aktuellen Kriminalstatistik dokumentiert. Kann dann wirklich noch Zweifel bestehen, dass jüdisches Leben gefährdet ist, wie im Kongressmotto angedeutet?
Die Zahl der Übergriffe steigt. Und das ist schon ein Alarmzeichen genug. Die Zahl von antisemitischen Straftaten sagt aber noch nicht allein etwas darüber aus, wie sich die Menschen wirklich fühlen, und wie sie die Stimmung in einer Gesellschaft insgesamt wahrnehmen. Das wollen wir auf dem Kongress näher ausloten. Es ist wichtig, dass wir von jüdischer Seite noch mehr über alltägliche Erlebnisse erfahren.
Welche Erkenntnisse wollen Sie gewinnen?
Wir sind gespannt, was uns die Repräsentanten des jüdischen Lebens schildern werden. Gibt es eine einheitliche Einschätzung? Wie ist es zu der Verschlechterung der Lage gekommen? Was sind aus deren Sicht die Ursachen? Die Fraktion will erst einmal zuhören.
Welche politischen Handlungsempfehlungen gibt es für den Kampf gegen Antisemitismus?
Wir wollen mit diesem Kongress zunächst ein Zeichen setzen: Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion steht an der Seite der jüdischen Mitbürger. Ihre Sorgen sind auch unsere Sorgen. Antisemitismus darf in unserer Gesellschaft keinen Platz haben. Dies ist unser Auftrag. Antisemitismus ist ein Angriff auf unsere Werte.
Und welche konkreten Schritte ergeben sich daraus?
Bundesinnenminister Thomas de Maizière wird sprechen. Damit wird deutlich, dass die Union der Frage der Sicherheit hohe Priorität einräumt. Das ist aber nur ein Aspekt. Der jüdische Glaube und die jüdische Kultur müssen auch weiter wichtiger Teil der Gesellschaft sein. Dazu müssen auch andere Fragen angeschnitten werden. Jüdisches Leben gehört zu uns. Dieses müssen wir gerade in den Köpfen der jüngeren Generation noch mehr verankern.
Das Interview mit dem Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion führte Detlef David Kauschke.