Im Prozess um die antisemitische Attacke auf zwei junge Männer im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg hat der Angeklagte die Tat eingeräumt. Zugleich wies der 19-jährige syrische Flüchtling vor dem Amtsgericht Tiergarten am Dienstag aber den Vorwurf zurück, dass diese einen antisemitischen Hintergrund gehabt habe.
Er sei zuvor von einem der Männer auf Arabisch beschimpft und provoziert worden, sagte Knaan Al S. vor dem Jugendschöffengericht. Unter anderem habe das spätere Opfer seine Mutter beleidigt. Deshalb habe er ihn mit dem Gürtel geschlagen. Gegen Juden habe er nichts, auch sei er unpolitisch und kein strenger Muslim, sagte Knaan Al S. Die Tat tue ihm leid. Jedoch habe er sich durch die Provokationen der Gegenseite bei seinem Handeln im Recht gefühlt.
Drogen Die Befragung des Tatverdächtigen wurde auf Deutsch und mithilfe einer Dolmetscherin teils auf Arabisch geführt. »Es tut mir sehr leid, es war ein Fehler von mir«, sagte der 19-Jährige. »Ich wollte ihn nicht schlagen, ich wollte ihm nur Angst machen.« Er sei unter dem Einfluss von Drogen gestanden. »Ich hab gekifft, ich war auf Drogen, mein Kopf war müde.«
Knaan Al S. sitzt in Untersuchungshaft. Er war zum Zeitpunkt der Tat einer Flüchtlingsunterkunft in Brandenburg zugewiesen, hielt sich aber in Berlin auf.
Der Angriff von Mitte April hatte bundesweit für Empörung gesorgt und eine Debatte über muslimischen Antisemitismus ausgelöst. Dem 19-jährigen Angeklagten werden gefährliche Körperverletzung und Beleidigung vorgeworfen. Die ursprünglich auf einen Tag angesetzte Verhandlung wurde wegen der insgesamt acht Zeugenanhörungen auf weitere zwei Tage ausgedehnt. Der nächste Verhandlungstag ist für Montag angesetzt.
Gürtel Ein Video des Angriffs war in den sozialen Netzwerken verbreitet worden. Bei den Angegriffenen handelte es sich um den in Deutschland lebenden arabischen Israeli Adam A. und einen Deutsch-Marokkaner. Der Angeklagte hat den Israeli mindestens zehn Mal mit einem Gürtel geschlagen und soll dabei mehrmals auf Arabisch »Jude« geschrien haben.
Adam A., der an diesem Tag in Begleitung eines Freundes im Prenzlauer Berg mit der Kippa unterwegs war, wies die Darstellung von Knaan Al S. zurück. Er habe mit dem Angeklagten vor der Attacke keinerlei Worte gewechselt. Ein Trio um den Angeklagten habe sie über die Straße hinweg beschimpft. Sein Begleiter, ein Deutsch-Marokkaner, habe die Angreifer daraufhin aufgefordert, sie in Ruhe zu lassen.
Dann sei Knaan Al S. auf ihn zugerannt gekommen, habe ihn als »dreckigen Jude« bezeichnet und mit dem Gürtel auf ihn eingeschlagen. Um sich zu schützen, habe er die Videofunktion seines Handys aktiviert und die Tat gefilmt – auch in der Hoffnung, dass der Angeklagte dann von ihm ablässt.
Schmerzen Später sei der Angeklagte von einem seiner Begleiter, einem Cousin, weggezogen worden. Die beiden Freunde hätten die Gruppe dann verfolgt, um sie bis zum Eintreffen der Polizei im Auge zu behalten. Neben körperlichen habe die Attacke vor allem seelische Schmerzen bei ihm ausgelöst, sagte Adam A.: »Seitdem fühle ich mich unsicher.«
Nach eigenem Bekunden ist der 21-Jährige, der in Berlin Veterinärmedizin studiert, selbst kein Jude, aber eng mit der jüdischen Kultur in Israel aufgewachsen und fühlt sich dem Judentum sehr verbunden.
Bestätigt wurden seine Angaben von einer Zeugin, die unweit des Tatortes zur Tatzeit in einem Restaurant saß. Ihr seien die beiden Jungs sofort aufgefallen, weil sie eine Kippa trugen und homosexuell wirkten, sagte die 44-Jährige aus Hamburg. Nach ihren Angaben gingen die Beschimpfungen eindeutig von den drei Arabern aus. »Die Provokationen waren eindeutig«, sagte die Zeugin.
Die Frau, die Knaan Al S. nach den Schlägen zur Rede stellte, bekam nach ihren Aussagen als Begründung gesagt, er sei Palästinenser. Eine Art Unrechtsbewusstsein hätten er und seine Begleiter dabei nicht ausgestrahlt. Auch war nach ihrer Einschätzung der Grund für die Attacke gegen A. und seinen Begleiter ein »Konglomerat aus Judenfeindlichkeit und Homophobie«.
Zeichen Am Rande des Prozesses sagte Mike Samuel Delberg, Repräsentant der Jüdischen Gemeinde zu Berlin: »Das einzig Positive an dem negativen Fall ist, dass er nicht unter den Teppich gekehrt wird. Ich hoffe auf ein schnelles Urteil, mit dem auch ein Zeichen gesetzt wird.«
Delberg erschien zu der Verhandlung im Amtsgericht Berlin-Tiergarten mit Kippa, um ein Zeichen der Solidarität mit dem Opfer und gegen Judenhass zu setzten. »Man kann als Jude in Berlin Kippa tragen«, so Delberg. »Aber man sollte nicht denken, dass es problemlos ist.« epd/ja