Berlin

Angehörige von Geiseln treffen Botschafter und Spitzenpolitiker

Ron Prosor, Israels Botschafter, mit Bundestagspräsidentin Bärbel Bas sowie zwei Familienmitgliedern von Hamas-Geiseln. Foto: picture alliance/dpa

Ron Prosor ist überall. Er schläft nicht viel, denn »wir sind im Krieg«, wie er sagt. Der israelische Botschafter in Deutschland, einer der versiertesten Diplomaten, über die Israel verfügt, hat viele Missionen. Eine davon: Bemühungen um die Rückkehr der Hamas-Geiseln. Es geht um Verwandte von Roni und Maya Roman sowie Adi Zalesky aus dem Kibbuz Be’eri.

Die mehr als besorgten Israelis haben deutsche Vorfahren und Verwandte mit deutschen Pässen. Mit Prosor trafen sie Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen). Was sie in der Bundesrepublik suchen, ist Unterstützung.

Roni Roman weiß nicht, wie es ihrer Schwester und ihrer Nichte geht, deren Foto sie überall mit sich führt. Die junge Frau sagt, sie sei mit ihrem Vater in Südafrika gewesen, als sie der Anruf mit den schrecklichen Nachricht erreicht habe. Prosor hört ihr bei einem Pressetermin in der Berliner Botschaft mit finsterer Miene zu.

Roni (M.) und Maya Roman (l.) mit Adi Zalesky in Berlin (Foto: Imanuel Marcus)Foto: Imanuel Marcus
In ihrem eigenen Blut

Seit Mittwoch sind die drei Israelis in Berlin. »Wir hoffen, Unterstützung von der deutschen Regierung und der Presse zu bekommen«, sagt Roni Roman. Es gehe hier nicht um irgendeinen komplexen Konflikt im Nahen Osten, sondern um unschuldige Kinder und Frauen. Die deutsche Öffentlichkeit müsse die Fälle ihrer in der Hand der Hamas-Terroristen befindlichen Familienmitglieder kennen.

Adi Zaleskys Tante und ihr Ehemann wurden am 7. Oktober um 10 Uhr gekidnappt. Eine Stunde später habe die Familie Bilder von ihnen gesehen. Ihr Onkel habe keine Hose getragen und sei barfuß gewesen. Die Tante war Adi Zalesky zufolge mit einem Pyjama bekleidet, während beide von Hamas-Terroristen umgeben gewesen seien. Dies sei ein Alptraum für die ganze Familie - und viele andere Israelis. »Wir brauchen Hilfe aus Deutschland«, erklärt Zalesky.

Roni Roman spricht dann über ihre Schwester, die von der Hamas angeschossen worden sei, und deren dreijährige Tochter. In diesem Fall habe die Familie ein Video gesehen, auf dem sie in ihrem eigenen Blut lag. Offenbar gelang es ihr zwischenzeitlich kurz, mit dem Mädchen im Arm zu fliehen, bevor sie von Kugeln getroffen wurde. Dann nahm die Hamas sie als Geisel. Ob sie noch lebt, wie es ihr geht, weiß Roni Roman nicht.

Flucht nach der Reichspogromnacht

»Deutschland ist sehr solidarisch mit uns«, so Roni Roman, deren Großeltern Nazi-Deutschland nach den Novemberpogromen von 1938 verließen. »Sie sagten, es werde nie wieder passieren. Aber es ist passiert.« Deutschland müsse alles in seiner Macht Stehende für eine Rückkehr der Geiseln tun, erklärt Maya Roman.

Gastgeber Ron Prosor ist wütend auf Medien, die teilweise verantwortungslos handelten, indem sie »Informationen« der Terrorgruppe Hamas als Fakten abdruckten oder verkündeten. »Sie haben die Ideologie der Hamas verharmlost.«

»Ich weiß nicht, wie viele Leichen wir haben«, so der Botschafter. Viele Hamas-Opfer seien so schlimm zugerichtet worden, dass man sie nicht zuordnen könne. »In aller Welt versuchen wir Leute zu finden, die uns mit der Identifizierung helfen können.« Der Staat Israel sei gegründet worden, »weil wir diese Bilder nie mehr sehen wollten. Wir haben versagt - ganz klar.«

Teil der Ideologie

Dann knöpft er sich erneut die Medien vor. »Was ist für euch eine Quelle? Wie kann es sein, dass Israel so schnell beschuldigt wurde, das Krankenhaus in Gaza bombardiert zu haben?« Lügen seien Teil der Strategie der Hamas. Die Terrororganisation habe gewusst, dass eine Rakete des Islamischen Dschihad auf dem Parkplatz des Krankenhauses explodiert sei - und dennoch Israel beschuldigt. Viele Medien hätten sich an der jüngsten Dämonisierung beteiligt.

Botschafter Prosor vermisst nicht nur einen verantwortungsvolleren Umgang mit Nachrichten, sondern auch Druck auf Ägypten. Der Grenzübergang Rafah müsse für humanitäre Hilfe geöffnet werden. Auch kritisiert er Hamas-Unterstützer in Deutschland, darunter die Gruppe Samidoun, die Spendengelder an den Terror weitergereicht habe.

Stolz sei er auch, betont Ron Prosor. Auf die israelische Zivilgesellschaft. »Es ist schön zu sehen, dass wir zusammenhalten. Israelis aus der ganzen Welt kehren zurück. Ich bin stolz, dass wir eine Armee haben, die uns verteidigen kann.« Auf den Geist von Israel sei er ebenfalls stolz.

»Wir haben eine Zeitenwende. Einen Paradigmenwechsel«, sagt der Diplomat. »Hamas wird Gaza bald nicht mehr kontrollieren. Denn wenn wir zusammenstehen, sind wir unbesiegbar.«

Noch eine Erkenntnis teilt Botschafter Prosor am zwölften Tag nach dem großangelegten Terrorangriff mit 1400 Ermordeten: »Israel wird nie mehr das Land sein, das es bis zum 6. Oktober war.«

Meinung

Wenn deutsche Ex-Diplomaten alle antiisraelischen Register ziehen

Deutschland darf nicht länger schweigen? Eine Erwiderung von Daniel Neumann auf den vielsagenden »FAZ«-Gastbeitrag ehemaliger Botschafter

von Daniel Neumann  18.04.2025

Einspruch

Niemals vergessen!

Eva Umlauf will nicht hinnehmen, dass immer mehr Deutsche einen Schlussstrich unter die NS-Zeit ziehen möchten

von Eva Umlauf  18.04.2025

Meinung

Der verklärte Blick der Deutschen auf Israel

Hierzulande blenden viele Israels Vielfalt und seine Probleme gezielt aus. Das zeigt nicht zuletzt die Kontroverse um die Rede Omri Boehms in Buchenwald

von Zeev Avrahami  18.04.2025

Kommentar

Bis zuletzt wollte Mustafa A. aus Lahav Shapira einen Täter machen

Dem Täter tue es leid, dass sein Angriff »instrumentalisiert wird, um jüdischen Bürgern Angst einzuflößen«. Ein unverfrorener Satz

von Nils Kottmann  17.04.2025

Berlin

Drei Jahre Haft für Mustafa A.

Der Prozess gegen den Angreifer von Lahav Shapira ist am Donnerstag zu Ende gegangen. Das Amtsgericht Tiergarten ging von einem antisemitischen Motiv aus und sprach den Täter der gefährlichen Körperverletzung schuldig

 17.04.2025

Berlin

100 Strafverfahren nach Besetzung der Humboldt-Universität

Die Polizei ermittelt unter anderem wegen Hausfriedensbruch und Volksverhetzung. Während der Besetzung sollen Aktivisten mutmaßlich Urin aus einem Fenster geschüttet haben

 17.04.2025

Analyse

Kleinster gemeinsamer Nenner

Im Koalitionsvertrag von Union und SPD steht kaum Konkretes über Israel und den Kampf gegen Antisemitismus

von Michael Thaidigsmann  17.04.2025

Berlin

Weitere Zeugenvernehmungen im Prozess gegen Angreifer auf Lahav Shapira

Der Prozess gegen Mustafa A. am Amtsgericht Tiergarten geht weiter. Noch ist unklar, ob am heutigen Donnerstag das Urteil bereits gefällt wird

 17.04.2025

Sebnitz

»Keine Hakennasen«: Jobanzeige eines Dachdeckers sorgt für Empörung

Die Stadtverwaltung der sächsischen Kreisstadt hat gegen den Urheber einer Anzeige im Amtsblatt Strafantrag gestellt

 17.04.2025 Aktualisiert