Zehn Tage nach dem verheerenden Terrorangriff der islamistischen Hamas reist Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Dienstag als erster Regierungschef nach Israel, um ein Zeichen der Solidarität zu setzen. Anschließend geht es weiter nach Ägypten, das einzige Nachbarland Israels, das auch an den Gaza-Streifen grenzt.
»Es ist mir wichtig, die Solidarität mit Israel auch ganz praktisch durch meinen Besuch zum Ausdruck zu bringen«, sagte Scholz am Montag im albanischen Tirana. Dies sei für das Land und seine Bevölkerung von Bedeutung.
Es wird erwartet, dass Scholz den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und den ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi treffen wird. Der Kanzler betonte erneut, dass Israel das Recht habe sich gegen die brutale Terrorattacke zu verteidigen.
»Der Überfall der Hamas war ein terroristischer Akt, der unverantwortlich war, der furchtbare Konsequenzen hat, der unglaublich viele Menschen getötet hat und unglaublich viele erniedrigt. Und deshalb hat Israel jedes Recht, sich selbst zu verteidigen.«
Die Themen: Geiselbefreiung, konkrete Hilfe, Eskalationsrisiken
In den Gesprächen wird es unter anderem darum gehen, wie die rund 200 Geiseln der Terrororganisation Hamas im Gaza-Streifen befreit werden können - darunter auch mehrere Deutsche. Er will auch Angehörige der Geiseln treffen.
Außerdem will Scholz seinen Beitrag dazu leisten, einen Flächenbrand in der Region zu verhindern. Auch konkrete Hilfsleistungen könnten eine Rolle spielen: Militärische Hilfe für die israelischen Streitkräfte; humanitäre Hilfe für die Menschen im Gaza-Streifen, die von Israel vor einer möglichen Bodenoffensive zu Hunderttausenden zur Flucht aufgefordert wurden.
Baerbock reiste bereits vergangene Woche
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) war bereits am Freitag zu einem Solidaritätsbesuch nach Israel gereist, auch die US-Minister Antony Blinken (Außen) und Lloyd Austin (Verteidigung) sowie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen waren schon dort - aber eben noch kein Staats- oder Regierungschef.
Scholz wird nun der erste sein. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine war das noch anders. Der Kanzler ließ sich trotz aller Kritik auch aus seiner eigenen Koalition fast vier Monate Zeit, bis er sich zusammen mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und dem damaligen italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi mit einem Sonderzug nach Kiew aufmachte.
Das Zögern, nach Kiew zu fahren, ging einher mit einer anfänglichen Zurückhaltung bei den deutschen Waffenlieferungen in die Ukraine. Es dauerte sehr lange, bis Deutschland auch vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj als zweitwichtigster Unterstützer der Ukraine nach den USA anerkannt wurde.
»An der Seite Israels«: Besondere Verantwortung Deutschlands
Den Vorwurf des Zögerns will sich Scholz nun nicht noch einmal machen lassen. Das liegt auch an der besonderen Verantwortung, die Deutschland wegen des Holocaust der Nazis hat, bei dem sechs Millionen Juden in ganz Europa ermordet wurden. »In diesem Moment gibt es für Deutschland nur einen Platz: Den Platz an der Seite Israels«, sagte Scholz in der vergangenen Woche im Bundestag. »Das meinen wir, wenn wir sagen: Die Sicherheit Israels ist deutsche Staatsräson.«
Scholz fügte hinzu: »Unsere Solidarität erschöpft sich nicht in Worten.« Das will er jetzt auch mit dieser Reise unter Beweis stellen. Er hat Israel bereits zugesagt, alles an Hilfe zu leisten, was erbeten wird. Bisher wurden Drohnen vom israelischen Typ Heron TP, die auch bewaffnet werden können, und Munition für Kriegsschiffe angefragt.
Die israelische Regierung erwartet von Deutschland aber vor allem Rückendeckung für ihre Gegenangriffe gegen die Hamas. In den nächsten Tagen wird eine Bodenoffensive erwartet, bei der es auch zivile Opfer geben dürfte. Dieser Part der Solidarität wird der schwierigste für Scholz werden.
Scholz schaltete sich früh in Krisendiplomatie ein
Der Kanzler wird am Dienstagmorgen zunächst den jordanischen König Abdullah II. in Berlin treffen und dann nach Israel aufbrechen. Scholz hatte in den vergangenen Tagen bereits zwei Mal mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu telefoniert.
Außerdem sprach er mit den Staatschefs von Katar, Ägypten und der Türkei. Fest steht jetzt schon, dass er auch nach diesem ersten Solidaritätsbesuch eine Rolle bei der Krisenbewältigung einnehmen will. Weitere Reisen in die Region dürften folgen.