Den Haag

Amnesty International wirft Israel abermals Völkermord vor

Amnesty Internationals Generalsekretärin Agnes Callamard erhebt zum wiederholten Mal schwere Vorwürfe gegen den einzigen jüdischen Staat. Foto: picture alliance / NurPhoto

Die vielfach als israelfeindlich kritisierte Organisation Amnesty International (AI) hat Israel zum wiederholten Mal Völkermord an den Palästinensern im Gazastreifen vorgeworfen.

Die israelische Armee habe im Zuge ihrer Militäroffensive Kriegsverbrechen begangen und absichtlich Leid und Zerstörung über die dort lebenden Menschen gebracht, teilte AI mit. Ein fast 300 Seiten langer Bericht zu den Vorhaltungen wurde vorgelegt.

Das Dokument konzentriert sich auf mutmaßliche Angriffe gegen Zivilisten und listet 15 Luftschläge der israelischen Armee (IDF), bei denen kein militärisches Ziel erkennbar gewesen sein soll. Nur bei einem davon soll die israelische Armee die Anwohner vorher vorgewarnt haben. Darüber hinaus beruft sich Amnesty auf Zitate israelische Politiker, die die genozidale Absicht der israelischen Regierung untermauern sollen. Unter den Zitierten ist auch der mittlerweile amtierende Verteidigungsminister Israel Katz, der nach den Massakern forderte, jenen Palästinensern Wasser und Strom abzustellen, die nicht den Evakuierungsaufrufen der israelischen Armee folgen wollen.

Amnesty Israel kritisierte die Dachorganisation für die Vorwürfe. Der Bericht sei voreingenommen, das Urteil habe schon vor Vollendung festgestanden. Schon in ersten internen Nachrichten sei das Dokument als »Genozidreport« bezeichnet worden. Er solle nur eine Sichtweise stärken, die unter Unterstützern von Amnesty International verbreitet sei.

Tatsache ist auch: Israel führt einen Selbstverteidigungskrieg gegen den palästinensischen Terror. Die israelischen Streitkräfte (IDF) gehen gegen die Hamas und andere Terrororganisationen vor, nicht aber die Zivilbevölkerung. Vielmehr gehört es zur Doktrin der israelischen Armee, Zivilisten so gut wie möglich zu schützen, indem sie sie vor Angriffen gegen den Terror in ihrer Gegend warnen und zu Flucht auffordern.

Neue Massaker angekündigt

Auch richtet Israel Fluchtwege und humanitäre Zonen ein und fertigt Hilfsgüter für die Einfuhr nach Gaza ab. Im Gegensatz zu regelmäßig erhobenen Vorwürfen wird die Menge der Hilfsgüter nicht beschränkt. Allein auf dem Landweg wurden bisher 1,14 Millionen Tonnen Hilfsgüter auf 57.922 Lastwagen durch Israel nach Gaza gebracht, seitdem die Hamas den aktuellen Krieg begann.

Lesen Sie auch

Die Hamas, die Israel erklärtermaßen vernichten will, hat bereits weitere Massaker im Stil des 7. Oktobers angekündigt. Israel will die Umsetzung dieser Ankündigung verhindern und 97 Geiseln befreien, die sich weiterhin in der Gewalt der Hamas befinden.

Amnesty betonte trotz allem, Israel habe es darauf angelegt, die Palästinenser als Gruppe zu zerstören. Wer wie auch deutsche Rüstungsunternehmen Israel weiterhin Waffen liefere, laufe Gefahr, sich mitschuldig zu machen. Der Völkermord müsse sofort beendet und ein Waffenstillstand vereinbart werden.

Lesen Sie auch

In einem separaten AI-Dokument hieß es, alle Geiseln müssten freigelassen werden. Gemeint sind die vor 14 Monaten vom palästinensischen Terror verschleppten Israelis und Menschen anderer Nationalitäten.

Nicht zum ersten Mal

Die israelische Regierung habe zahllose Mahnungen über die katastrophale humanitäre Lage ignoriert und sich über Maßnahmen des Internationalen Gerichtshofs (IGH) hinweggesetzt, kritisierte Julia Duchrow, Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland. Der IGH hatte Israel aufgefordert, die humanitäre Versorgung im Gazastreifen sicherzustellen.

«Der israelische Staat beging und begeht Völkermord an Palästinensern im Gazastreifen», sagte Amnestys internationale Generalsekretärin Agnès Callamard in Den Haag. Israel «hatte und hat die klare Absicht, Palästinenser im Gazastreifen auszulöschen».

AI erhebt nicht zum ersten Mal entsprechende Anschuldigungen gegen den einzigen jüdischen Staat. In den letzten Jahresberichten war von »Apartheid« in Israel die Rede, einem Vorwurf, den Israelfeinde auch bei Demonstrationen in Europa und Nordamerika regelmäßig erheben, obwohl israelische Araber selbst in der Knesset vertreten, als Richter und IDF-Kommandeure tätig sind. ja/dpa

Nachruf

Keine halben Sachen

Die langjährige Nahost-Korrespondentin der WELT, Christine Kensche, ist gestorben. Ein persönlicher Nachruf auf eine talentierte Reporterin und einen besonderen Menschen

von Silke Mülherr  10.01.2025

Meinung

Tiefpunkt für die Pressefreiheit

An der besetzten Alice Salomon Hochschule versuchte die Rektorin zusammen mit israelfeindlichen Aktivisten, die journalistische Berichterstattung zu verhindern

von Jörg Reichel  10.01.2025

Alice Salomon Hochschule

Nach Besetzung: Hochschulleitung soll Journalisten behindert haben

Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union erhebt schwere Vorwürfe gegen die Leitung

 10.01.2025 Aktualisiert

Nachruf

Eine unabhängige Beobachterin mit Herzensbildung

WELT-Chefredakteur Jan Philipp Burgard nimmt Abschied von Israel-Korrespondentin Christine Kensche

von Jan Philipp Burgard  10.01.2025

Interview im "Playboy"

Marcel Reif: Antiisraelische Hetze bei Demos ist Judenhass

»Ich hätte mir gewünscht, dass der Rechtsstaat viel schneller und viel härter eingreift«, sagt der Sportkommentator

 10.01.2025

USA

Kreuzritter 2.0? - Ein designierter US-Verteidigungsminister mit Kreuz(zug)-Tattoo

Pete Hegseth steht wegen seiner Tätowierungen in der Kritik. Angeblich symbolisieren sie eine Kreuzzugsideologie. Was hinter Jerusalemkreuz und Co. steckt

von Andrea Krogmann  10.01.2025

USA

Los Angeles: Auch jüdische Stars verlieren Häuser

Dazu gehören Adam Brody und Steve Guttenberg, der den Behörden half, Bewohner zu evakuieren

 10.01.2025

Washington D.C.

Wegen Haftbefehl gegen Netanjahu: US-Repräsentantenhaus beschließt Sanktionen gegen IStGH

Nun muss der Senat den Gesetzentwurf bestätigen. Auch dort haben die Republikaner eine Mehrheit

von Imanuel Marcus  10.01.2025

Meinung

Hitler ein Linker? Der »Vogelschiss«-Moment der Alice Weidel

Mir ihren Aussagen zu Adolf Hitler im Gespräch mit Elon Musk hat die AfD-Chefin erneut ihre Inkompetenz bewiesen

von Michael Thaidigsmann  10.01.2025