Barack Obama ist nicht der Messias. Diese Erkenntnis hat sich mittlerweile auch unter seinen Unterstützern herumgesprochen – manche haben sich bitter enttäuscht von ihm abgewandt. Ist der amtierende amerikanische Präsident aber das Gegenteil des Messias? Ist er ein offener oder heimlicher Antisemit? Immerhin gehört Pastor Jeremiah Wright, der das Ehepaar Obama getraut und seine Töchter getauft hat, zu den Unterstützern der Hamas. Hat Obama die Ideologie seines geistlichen Hirten über die Jahre in sich aufgesogen?
Ist dies der Grund, warum er immer wieder mit Israel aneinandergerät und der Islamischen Republik Iran nicht klipp und klar mit der baldigen Bombardierung droht, wenn sie nicht aufhört, nach der ultimativen Waffe zu greifen? Hat sich das Weiße Haus deshalb neulich geweigert, Benjamin Netanjahu zu empfangen? Mitt Romney, der republikanische Präsidentschaftskandidat, ist da doch ganz anders: ein klarer Unterstützer Israels und ein langjähriger Freund von Netanjahu obendrein. So könnte man meinen. In Wahrheit handelt es sich hier allerdings um ein schiefes Bild. Ehe wir es geraderücken, sollten ein paar historische Fakten festgehalten werden.
Sinaifeldzug In der amerikanischen Geschichte war es keineswegs so, dass republikanische Präsidenten eher proisraelisch und demokratische Präsidenten automatisch gegen Israel eingestellt waren. Manchmal traf das glatte Gegenteil zu. So hat wahrscheinlich kein Präsident dem jüdischen Staat mehr geschadet als der Republikaner Dwight D. Eisenhower, der 1956 dafür sorgte, dass der Sinaifeldzug – in dem Israel an der Seite von Großbritannien und Frankreich kämpfte – abgeblasen wurde, ehe das Kriegsziel erreicht war: der Sturz des ägyptischen Diktators Nasser.
Schädlich für Israel war auch, dass George Bush der Ältere im Golfkrieg von 1991 dafür sorgte, dass Israel den Beschuss durch irakische Scud-Raketen hinnahm, ohne zurückzuschlagen. Dass der Judenstaat sich damals an die christliche Maxime hielt, man solle im Konfliktfall auch noch die andere Wange hinhalten, hat seine Fähigkeit zur Abschreckung drastisch beeinträchtigt. Die Folgen sind bis heute zu besichtigen.
Nichts von dem, was Barack Obama in seiner Amtszeit unternommen hat, hat die Sicherheit Israels in diesem Maße bedroht. Und in Wahrheit gibt es hier, um die Sache ein wenig komplizierter zu machen, auch noch zwei Wahrheiten: eine rhetorische und eine praktische, die darunter liegt. Auch zu Beginn von Barack Obamas Präsidentschaft, als die gegen Israel gerichtete Rhetorik zu eskalieren schien, funktionierte die militärische Zusammenarbeit zwischen Amerika und dem jüdischen Staat ausgezeichnet.
Stuxnet Während Barack Obama mit scharfen Worten die israelische Siedlungspolitik verurteilte, reichte er den Israelis sozusagen unter dem Tisch bunkerbrechende Bomben weiter, die sich bei einem Militärschlag gegen den Iran als nützlich erweisen könnten – übrigens hatte George W. Bush den Israelis jene Bomben verweigert. Wir wissen heute, dass »Stuxnet«, jener komplexe Computervirus, der die iranischen Uranschleudern zum Durchdrehen brachte, eine amerikanische Erfindung war.
Israelische Computertechniker wurden bei seiner Entwicklung zwar auch beschäftigt, aber dies geschah vor allem, um den Israelis zu beweisen, dass man es ernst meinte. »Stuxnet« war ein Relikt aus der Zeit von George W. Bush – nachdem Obama Präsident geworden war, mottete er das Projekt keineswegs ein. Er behielt es bei und ließ es stillschweigend weiterentwickeln. Dieser Präsident ist vor allem eines: pragmatisch.
Experten gehen davon aus, dass die amerikanische Außenpolitik von Mitt Romney sich von der Außenpolitik des Obama-Teams nur in Nuancen unterscheiden würde. Beide sind keine Isolationisten, sondern glauben, dass Amerika eine wichtige Rolle in der Welt zu spielen hat. Beide sind zumindest öffentlich der Vision eines demokratischen Palästinenserstaates an der Seite Israels verpflichtet, beide wollen keinen weiteren Ausbau der israelischen Siedlungen.
Atombombe Sowohl Obama als auch Romney werden wahrscheinlich nicht militärisch in den Bürgerkrieg in Syrien eingreifen. Beide haben klar gesagt, dass sie eine Atombombe in den Händen des iranischen Regimes für eine Katastrophe halten würden. Auch Republikaner müssen anerkennen, dass die Regierung Obama strengere Sanktionen gegen den Iran beschlossen hat als jede amerikanische Regierung vor ihr.
Dies ist keine Wahlkampfwerbung für Obama. Es gibt immer noch gute Gründe, ihn in den Ruhestand zu schicken und an seiner Stelle den anderen Kandidaten im Oval Office zu beschäftigen. Aber es geht bei dieser Wahl nicht um die Entscheidung zwischen einem Antisemiten und einem Freund Israels; es geht lediglich um unterschiedliche Schattierungen der Farbe Grau.
Bei den jüdischen Wählern hat Barack Obama zwar laut Umfragen rund zehn Prozentpunkte verloren. Nur noch 64,9 Prozent würden ihn im Amt bestätigen, während 9,9 Prozent unentschieden sind. Aber jene Juden, die Obama wieder ihre Stimme geben würden, sind weder masochistisch noch geistesgestört. Sie sind einfach nur linksliberal.