PRAG »Wir sind für alles gerüstet. Die Meteorologen haben wieder Regen vorhergesagt. Aber ich glaube, das Schlimmste liegt hinter uns. Der Pegel der Moldau ist schon gesunken. Das Jüdische Museum musste vorübergehend schließen, hat jetzt aber wieder geöffnet. An der Synagoge und in der Gemeinde sind keine Schäden entstanden. Zum Glück für uns zieht das Wasser jetzt nach Deutschland ab.«
Pavel Veselý, Mitarbeiter der Jüdischen Gemeinde Prag
BRATISLAVA / KOMARNO »Glücklicherweise war keine slowakische Gemeinde von der Flut betroffen – auch nicht die in Bratislava und Komarno, die an der Donau liegen. Wir sind optimistisch, dass jetzt nichts mehr passiert. Im Zentrum von Bratislava hat sich das Schutzsystem, das nach der Katastrophe von 2002 gebaut wurde, sehr gut bewährt. Sogar die weltbekannte Ruhestätte des berühmten Rabbiners Chatam Sofer, der in der Nähe der Donau begraben liegt, ist verschont geblieben. Allerdings musste die Gedenkfeier für die Opfer des Nationalsozialismus, die vor genau 69 Jahren aus Komarno deportiert wurden, am Sonntag abgesagt werden. Die Stadtverwaltung wollte kein Risiko eingehen. Und die Brücke zwischen der Slowakei und Ungarn ist ohnehin wegen der Flut geschlossen – also hätten viele Menschen aus Ungarn, die an der Feier teilnehmen wollten, nicht kommen können.«
Lucia Kollárová, Sprecherin der Föderation der Jüdischen Gemeinden in der Slowakei
STRAUBING »Gott sei Dank, bei uns ist nichts passiert. Unsere Schäfchen sind alle im Trockenen. Unsere Synagoge liegt mitten in der Stadt. Kein einziges Gemeindemitglied wohnt in den gefährdeten Gebieten. Wir haben unseren Mitgliedern aber Kontonummern der Spendenaufrufe für die Flutopfer weitergegeben. Und am Schabbat hat unser Rabbiner ein Gebet für alle Hochwassergeschädigten gesprochen.«
Hannah Zisler, Geschäftsführerin der Jüdischen Gemeinde Straubing
DRESDEN
»Uns geht es relativ gut. Bei der Flut von 2002 hatten wir Wasser im Keller unserer Synagoge – diesmal sind wir davon verschont geblieben Der höchste Stand des Elbwassers war 70 Zentimeter niedriger als vor elf Jahren. Wir haben vor allem die Seite unserer Synagoge beobachtet, die der Elbe zugewandt ist und besonders niedrig liegt. Während der kritischsten Zeit haben wir einen Alarmdienst eingerichtet: Das Gemeindehaus war Tag und Nacht besetzt. Die Leute haben auf meinem Sofa und auf Stühlen geschlafen. Wir haben den Keller geräumt: Unsere Gemeindemitglieder und viele Freiwillige, die über Facebook rekrutiert wurden, haben die Bücher nach oben getragen. So viele Helfer, wie vor der Tür standen, haben wir gar nicht gebraucht. Das Gemeinschaftsgefühl ist durch die Flut gestärkt worden – das war vielleicht die wichtigste Erfahrung. Gleich neben unserem Gemeindehaus liegt der ehemalige Gondelhafen von Dresden, da sind der Kirchsaal der Reformierten Gemeinde und ein Studentenclub untergebracht. Das Gebäude ist mit Wasser vollgelaufen. Die Studenten haben dort einen Riesendamm gebaut und waren auch bei uns zur Stelle, wenn Hilfe nötig war. Und wir haben sie mit Kaffee versorgt.«
Nora Goldenbogen, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Dresden
HAlle »Die Jüdische Gemeinde Halle in der Innenstadt ist zum Glück ziemlich hoch gelegen. Bei uns gab es keine Schäden. Von einem Gemeindemitglied in Halle weiß ich, dass es sein Haus verlassen musste. Wir haben Kontakt zu anderen Gemeindemitgliedern aufgenommen, die in überschwemmten Gebieten leben – im Saalekreis zum Beispiel, in Merseburg und Bad Dürrenberg. Denn nicht nur die Saale hat Probleme gemacht, sondern auch die kleineren Flüsse. Zum Glück ist bei niemandem ein Schaden entstanden. Die liberale Synagogengemeinde Halle hat mehr Probleme als wir: Das Mietshaus, in dem sie ihre Räume hat, steht noch unter Wasser. Unser Standpunkt ist: Materialspenden und Soforthilfe – gerne! Wenn der Computer des Vorsitzenden kaputt ist, helfen wir ihm selbstverständlich. Wir haben der Synagogengemeinde auch angeboten, unsere Räume zur Verfügung stellen.«
Max Privorozki, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Halle (Saale)
DESSAU »In Bitterfeld, das zu unserer Gemeinde gehört, mussten neun Familien wegen des Hochwassers ihre Häuser verlassen. Drei von ihnen konnten schon zurückkehren. Ihre Wohnungen sind zum Glück nicht beschädigt. Die anderen, so hoffe ich, können im Lauf der Woche zurückkommen. Meine Tochter wohnt in Magdeburg, in einem Viertel, das evakuiert werden musste. Zwei Tage hat sie bei mir gewohnt, zusammen mit meinem Schwiegersohn. Jetzt ist sie wieder zu Hause. Auch für Dessau haben wir Hoffnung – der Pegel der Elbe ist wieder gesunken. Wir haben das Gemeindearchiv, das im Keller lagert, vorsorglich nach oben getragen. Jetzt müssen wir Geduld haben. Am Wochenende hat es noch einmal stark geregnet. Jetzt ist das Wetter wieder besser.«
Alexander Wassermann, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Dessau
MAGDEBURG »Zwei von unseren Gemeindemitgliedern leben in Mietwohnungen im Erdgeschoss. Ihre Wohnungen stehen unter Wasser. Bei anderen ist der Keller vollgelaufen. Wir helfen konkret nach Bedarf, mit Decken, Matratzen, Lebensmitteln, Challot und Wein. Alle kriegen Hilfe, wir lassen kein Gemeindemitglied im Stich. Wir werden aber von Fall zu Fall entscheiden, wer materielle Beihilfe bekommt – und wem wir dabei helfen, den Keller leerzupumpen und aufzuräumen. Wir haben auch einen festen Stab von freiwilligen Helfern eingerichtet. Die Stadt hat uns bisher aber nicht gebraucht. Einige Gemeindemitglieder wollen ein eigenes Spendenkonto für Opfer der Flutkatastrophe einrichten. Die Gemeinde selbst liegt zum Glück am Neustädter Bahnhof, 14 Meter über dem Meeresspiegel.
Wadim Laiter, Vorstandsvorsitzender der Synagogen-Gemeinde zu Magdeburg
Frankfurt/Main »Ich habe mit den Gemeinden in Halle, Dessau und Dresden telefoniert. Gott sei Dank sind wir bisher beschützt. Aber nach wie vor sind wir sehr besorgt um die Menschen, die von dieser bedrohlichen Naturgewalt betroffen sind. Unsere Gedanken sind bei unseren jüdischen Gemeindemitgliedern, aber natürlich ebenso bei allen Bewohnern insbesondere der Regionen in Bayern, Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg. Wir können nur hoffen und beten, dass sich die Situation schnell normalisiert. Noch aber kann von keiner Entwarnung die Rede sein und daher bin ich umso dankbarer und tief bewegt, dass sich so viele ehrenamtliche Helfer engagieren und gegen die Wassermassen anzukämpfen versuchen. Hier zeigt sich, dass Solidarität gerade in schweren Stunden Bestand hat. Es wird noch viel Arbeit auf die Menschen zukommen, die zum Teil ihr ganzes Hab und Gut verloren haben. Der Zentralrat hofft inständig, dass den Menschen, die nun ohne Verschulden in derartige Not geraten sind, rasch und unbürokratisch geholfen werden kann.« Dieter Graumann, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland