Warum prasseln Raketen des Islamischen Dschihad aus dem Gazastreifen wieder auf Israel? Weil der Gazastreifen eine der drei iranisch-schiitischen Fronten gegen Israel und der Islamische Dschihad der verlängerte Arm Teherans ist. Die eine Front ist der Libanon, den die schiitische Hisbollah-Miliz faktisch beherrscht. Die zweite Front ist Assads Syrien, das ohne Hilfe des Iran längst untergegangen wäre.
Zwei weitere, noch indirekte Fronten hat der Iran gegen Israel aufgebaut: den schiitisch dominierten Irak, wo iranische Milizen demonstrierende und protestierende Iraker (auch unzufriedene Schiiten) niederkartätschen, und Ägypten. Dort unterstützt der Iran die Muslimbrüder.
gazastreifen Diese sind zwar, wie der Islamische Dschihad im Gazastreifen, Sunniten, doch gegen den jüdischen Staat bilden diese Schiiten und Sunniten eine »antagonistische Kooperation« (Mao Tse-tung), also eine Allianz von eigentlich gegnerischen Akteuren, die sich zusammenschließen, um denselben Feind zu bekämpfen.
Israel eint die innerislamischen Feinde.
Israel eint die innerislamischen Feinde. Daraus könnten deutsche und europäische »Nahostexperten« endlich einmal lernen, dass selbst die Auslöschung des jüdischen Staates keinen Nahost-Frieden brächte. Könnten sie, werden sie aber nicht. Denn diese offensichtliche Erkenntnis ist keineswegs neu.
Warum dreschen die meisten deutschen und westeuropäischen Politiker zu dem altneuen Raketenhagel aus dem Gazastreifen ihre alten, abgestandenen, undurchdachten – und geradezu unerträglich einfühlungslosen – Phrasen? Weil sie weder Empathie noch Sympathie für Israel aufbringen wollen. Sie verstecken sich, wie besonders das Auswärtige Amt und die EU-Außenbeauftragte, hinter ihren Worthülsen. Löbliche Ausnahmen bilden besonders Alexander Graf Lambsdorff und Österreichs Bald-wieder-Kanzler Sebastian Kurz.
frieden Jenseits »der« Politik ist Israel auch bei fast allen Medien sowie der westeuropäischen und deutschen Bevölkerungsmehrheit alles andere als beliebt. Diese Aussage wird seit Jahrzehnten durch Umfragen dokumentiert. Israels Uhren gehen eben anders als deutsche und andere westeuropäische. Umstandsbedingt ist in Israel der militärische Einsatz zum Schutz der Bevölkerung gesellschaftlich akzeptiert und legitimiert. Mangels Frieden kein »Postheroismus« wie in Deutschland.
Ja, Israel hat diese neue Kampfrunde begonnen. Das ist die Kernstrategie des Landes. Von Ben Gurion über Begin, Rabin, Peres, Scharon bis zu Netanjahu. Aus der strukturellen Defensive handelt Israel offensiv und zugleich präventiv, also vorwegnehmend.
Und was tun Deutschland und die EU-Mehrheit? Sie hofieren den Iran.
Israels Strategie ist auch hier und jetzt klar: Der Iran und seine auswärtigen Partner sollen, wo und wenn möglich, überall getroffen werden, zumindest geschwächt, damit sie nicht stark genug werden, um Israel schwere Schläge zu versetzen. Und wenn sie, wie jetzt, zurückschlagen? Dann, so das israelische Konzept, besser kleine Eigenverluste als die große Katastrophe.
Eine regelrechte Vernichtung seiner Feinde hat Israel nie geplant, plant es auch jetzt nicht. Prävention als Notbremse. Not? Ist Israel nicht die militärische Supermacht im Nahen Osten? Einstweilen ja. Auf Dauer? Das ist fraglich, denn der Iran rüstet ungebrochen nuklear auf, und im konventionellen Wettrüsten muss und wird Israel aus ökonomischen und demografischen Gründen unterliegen.
existenz Das wiederum ist eine Bedrohung der Existenz Israels, denn der Iran und seine jetzigen Partner machen keinen Hehl aus ihrem strategischen Ziel: die Vernichtung Israels. Als Ouvertüre eignet sich hierzu ein Mehrfrontenkrieg vorzüglich. Somit wären die jüngsten (Luft-)Angriffe auf Ziele im Libanon, Irak, Syrien und nun Gaza erklärt.
Aufschlussreich ist dieses Detail: Die neuesten Schläge Israels im Gazastreifen zielen nicht auf die Hamas, sondern (bislang?) allein auf den Islamischen Dschihad. Warum? Weil dieser den von der überforderten, unpopulären Hamas und Israel kürzlich geschlossenen Waffenstillstand nicht billigt. Warum? Weil der Iran das nicht zulässt.
Weil es nichts kostet, verurteilen sie »jede Gewalt«.
Und was tun Deutschland und die EU-Mehrheit? Sie hofieren den Iran. Wie besonders Bundespräsident Steinmeier zum Jahrestag der Iranischen Revolution. Wie Außenstaatssekretär Annen, wie Bundestagsvizepräsidentin Roth und viele andere. Und weil es nichts kostet, verurteilen sie »jede Gewalt«, fordern wieder einmal die seit Jahren erfolglosen, weil keinen Nahostkonflikt dämmenden, diplomatischen Schritte und sagen bei Gewaltanwendung: »Du, du, du«. Worte. Keiner hört mehr hin. Weder hier noch in Nahost.
offensive Der Zeitpunkt der defensiven Offensive Israels beweist erneut: Netanjahu ist ein gewiefter Machtpolitiker. Vorab hatte er seinen Rivalen, Benny Gantz, über den geplanten Schlag informiert. Der stimmte zu. Weil er davon überzeugt war, doch auch weil ein Nein ihm innenpolitisch nur bei Israels Arabern geholfen und bei der jüdischen Mehrheit immens geschadet hätte.
Vorhersehbar war der massive Protest der Arabischen Liste gegen Israels Gaza-Angriff. Geplant, geschehen. Würde Gantz nun, wie vor dem Gazaschlag programmiert, eine von der Arabischen Liste tolerierte Minderheitsregierung bilden, könnten er und seine Blau-Weiß-Partei sozusagen einpacken.
Der Autor ist Historiker und Publizist, Hochschullehrer des Jahres 2017, Bücher: »Wem gehört das Heilige Land?«, »Deutschjüdische Glückskinder«, »Israel«.