Das gegenseitige Verständnis vertiefen, die Beziehungen zwischen beiden Ländern pflegen: Auf diese Kurzformel lässt sich die Arbeit der Deutsch-Israelischen Parlamentariergruppe bringen. Fast 90 Abgeordnete des im September konstituierten 19. Deutschen Bundestags wollen künftig die Beziehungen zwischen den beiden Ländern intensivieren.
Gestört werden könnte die Absicht, so fürchten Kritiker, allerdings von den Rechtspopulisten der Alternative für Deutschland (AfD), die seit September im Bundestag sitzen. In der AfD finden sich bekanntlich auch Politiker wie Björn Höcke, der das Holocaust-Denkmal in Berlin »Mahnmal der Schande« genannt hat.
schoa-überlebende Acht Mitglieder der rechten AfD wollen Mitglied der Parlamentariergruppe werden. Damit können sie auch an Reisen nach Israel teilnehmen, wozu meist Treffen mit Überlebenden der Schoa gehören, die im jüdischen Staat leben. Diese Treffen sind eine schwere Bürde, erinnert sich der frühere Vorsitzende der Parlamentariergruppe, der ehemalige Grünen-Abgeordnete Volker Beck. Zu den deutschen Beziehungen zu Israel gehöre »die Erinnerung an den Holocaust und die sich daraus ergebende Verpflichtung für die Sicherheit Israels«.
Den Bayreuther AfD-Bundestagsabgeordneten Tobias M. Peterka hingegen interessiert vor allem, wie »Israel mit der inneren und äußeren Bedrohung umgeht«, wie der Wirtschaftsjurist der Jüdischen Allgemeinen sagt. Während Araber in Frieden in Israel leben könnten, sei dies Israelis umgekehrt nicht möglich. Peterka formuliert für sich ein Lernziel: herauszufinden, wie Israel trotz des Terrors eine florierende Kultur und Wirtschaft bewerkstellige. Das sei doch eine Situation, so Peterka, »die wir bisher nicht in Europa haben«.
Zwar betont Peterka, »der Holocaust ist Teil der deutschen Geschichte«, dies werde er auch in Gesprächen in Israel sagen. »Wenn er gemeint hat, was er gesagt hat«, kommentiert Peterka die Äußerungen Björn Höckes, »dann hat er dies missverständlich oder fahrlässig formuliert.« Hört sich so eine Distanzierung an?
tagesordnung Gesprächsbedarf unter den deutschen Parlamentariern gibt es also reichlich, wenn Mitte des Monats der neue Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Parlamentariergruppe, der FDP-Bundesabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff, den Vorstand zu seiner ersten Sitzung der Legislatur lädt. Die Tagesordnungspunkte lauten: »künftige Schwerpunkte und Themen sowie eine Arbeits-Agenda«. Dem Vorstand gehören neben dem 51-jährigen Berufsdiplomaten Lambsdorff je ein Mitglied der im Bundestag vertretenen Parteien an: Sozialdemokraten, Christdemokraten und Christsoziale, Grüne, Linke – und AfD.
Gerade Treffen mit Holocaust-Überlebenden könnten schwieriger werden, sagt Gitta Connemann, die im Vorstand die CDU/CSU-Fraktion vertritt. 30 Unions-Parlamentarier haben sich inzwischen in der Gruppe eingeschrieben. Daneben gibt es noch je 20 Sozial- und Freidemokraten, vier linke und neun grüne Abgeordnete.
Gitta Connemann, langjährige stellvertretende Vorsitzende, befürchtet auch in dem parlamentarischen Gremium »unerfreuliche« Diskussionen zum Thema Israel und dem deutsch-israelischen Verhältnis – nicht nur von den Rechtspopulisten. In den letzten Wochen sei bei Plenardebatten im Bundestag die »Wortwahl brutaler« geworden, bedauert sie – sowohl von der Linken als auch von der AfD. Während die Linke beim Thema Antisemitismus das Problem ausschließlich »bei Deutschen sehe«, betrachte die AfD-Sichtweise mit »Scheuklappen« Judenfeindlichkeit als ein »Problem des Islam«.
»Unsere Arbeit wird dadurch nicht einfacher«, bedauert die in Ostfriesland lebende CDU-Politikerin, die auch stellvertretende Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) ist. Sie werde aber entschieden jedem Versuch entgegentreten, das Parlamentsgremium für politische Ziele zu funktionalisieren. »Freunde bewähren sich in der Not«, betont Gitta Connemann.
Keine Gefahr durch die AfD sieht der Ehrenvorsitzende der DIG, Johannes Gerster. »Wir müssen sie politisch bekämpfen und thematisch stellen.« Der frühere CDU-Politiker fügt hinzu: »Dass Rechtsradikale in so einer Gruppe sitzen, ist ärgerlich, aber das gefährdet nicht die Bedeutung der deutsch-israelischen Zusammenarbeit.«
antizionisten Dass die Rechtspopulisten »Antisemiten der schlimmsten Sorte« nicht ausschließen, sage mehr über die Partei als jede proisraelische Aktion, findet der Münchner Historiker Michael Wolffsohn: Auch die CDU dulde schwierige Mitglieder »wie den sich an Israel abarbeitenden Norbert Blüm, die SPD die seit Jahrzehnten mehrheitlich antizionistischen Jusos, die Grünen den Israelhasser Hans-Christian Ströbele, die FDP den Möllemann-Freund Wolfgang Kubicki, und die große Linke-Mehrheit ist so israel-›freundlich‹ wie einst die DDR«.
Alexander Graf Lambsdorff betont, er werde die AfD-Abgeordneten so korrekt wie alle anderen auch behandeln und in Ruhe abwarten, ob sich aus Äußerungen oder Verhalten ergebe, dass man daran etwas ändern müsse. Ihm ist die baldige Kontaktaufnahme mit den Knesset-Kollegen wichtig. Ein besonderes Anliegen ist ihm die Gründung eines »Deutsch-Israelischen Jugendwerks«. Mit ihm soll der Austausch von Jugendlichen zwischen den beiden Ländern intensiviert werden, sagt Lambsdorff.