AFD: Die »blaue« Partei schweigt sich über jüdisches Leben und Israel aus
Die Alternative für Deutschland (AfD) stellt sich gern als Freundin der Jüdinnen und Juden dar. So sagte Co-Vorsitzende Alice Weidel im Gespräch mit dem Tech-Milliardär Elon Musk: »Die AfD ist die einzige Beschützerin des jüdischen Volkes hier in Deutschland.« Doch was genau hält das Wahlprogramm der in Teilen rechtsextremen Partei für die jüdische Gemeinschaft parat?
Dieses fällt mit Blick auf die für Jüdinnen und Juden relevanten Themen vor allem durch Schweigen auf. So findet sich etwa kein Satz zur Frage, wie jüdisches Leben in Deutschland gefördert werden soll. War im Programm für die Wahl 2023 noch von einer »jüdisch-christlichen« Kultur die Rede, ist es nun nur noch eine »christlich-abendländische«, die sich die AfD anschickt, zu verteidigen – selbstverständlich gegen Muslime. Diese werden auch als einzige Gefahr für die Juden in Deutschland ausgemacht. Neonazis sind der AfD dagegen keine Silbe wert. Ebenso wenig wie die alten Nazis. Weder »Nationalsozialismus« noch »Holocaust« sind Wörter, die im AfD-Programm vorkommen. Stattdessen heißt es: »Die offizielle Erinnerungskultur darf sich nicht nur auf die Tiefpunkte unserer Geschichte konzentrieren, sie muss auch die Höhepunkte im Blick haben.«
Viele Höhepunkte im AfD-Programm dürften sich für die meisten Juden nicht finden. Auch zum jüdischen Staat steht nichts im Text. Das Thema sei »zu kompliziert«, hatte Alice Weidel im Interview mit Elon Musk herumgedruckst, als dieser die AfD-Kanzlerkandidatin nach der Haltung ihrer Partei zu Israel fragte. Weidels Co-Vorsitzender Tino Chrupalla wurde unlängst im Bundestag deutlicher: Die AfD sei gegen Waffenlieferungen an den jüdischen Staat.
Eine Kleinigkeit hält die AfD für jüdische Mitbürger in ihrem Programm doch noch bereit: Schächten soll zwar erlaubt sein, allerdings nur mit vorheriger Betäubung. Koscher wäre so hergestelltes Fleisch allerdings nicht. Ein aus jüdischer Sicht ungenießbares Programm.
Joshua Schultheis
CDU/CSU: Die Konservativen setzen beim Antisemitismus vor allem auf Repression
Lang und detailliert sind die Ausführungen des gemeinsamen Wahlprogramms von CDU/CSU zum Kampf gegen den Antisemitismus. Ihm wird sogar ein eigenes Kapitel gewidmet. Wenig überraschend setzt die Union bei den vorgeschlagenen Maßnahmen auf mehr staatliche Repression. Häufig geht es um »Bekenntnisse«. Die Bringschuld sieht man hier vor allem bei Zugewanderten.
So wollen CDU/CSU künftig »klare Kante gegen Terror-Unterstützer« zeigen. Wer in Deutschland für Ziele und Handlungen einer Terrororganisation werbe, solle bei Verurteilung nicht mehr die deutsche Staatsbürgerschaft erwerben können. Auch das Existenzrecht Israels müssten Neubürger zwingend anerkennen. Weiter heißt es: »Wir dulden keinerlei Rückzugsräume und schließen Moscheen, in denen Hass und Antisemitismus gepredigt wird.«
Auch gegen Rechtsextremismus will die Union schärfer vorgehen. »Die Feinde unseres Staates gehören entwaffnet«, heißt es. Über ein Verfahren zum Verbot der AfD, das auch von einigen CDU-Politikern gefordert wird, schweigt sich das Programm aber aus.
Organisationen, die finanzielle Leistungen des Bundes erhalten, sollen sich künftig zum Existenzrecht Israels und zum Kampf gegen Antisemitismus bekennen müssen. Es waren Forderungen wie diese, die in jüngster Zeit zum Teil heftige Kontroversen im Kunst- und Kulturbetrieb ausgelöst hatten. Wie so etwas angesichts verfassungsrechtlicher Bedenken in die Praxis umgesetzt werden soll, verrät das Wahlprogramm nicht.
Geht es nach der Union, sollen künftig alle Schüler in Deutschland NS-Gedenkstätten besuchen. Auch das seit Jahren geplante Deutsch-Israelische Jugendwerk soll nun »zügig« kommen. So will man jungen Leuten »ein aktuelles, reales Bild von Israel« vermitteln.
Einige der Vorschläge wurden in Teilen bereits von der Ampelregierung und von den Ländern umgesetzt. Andere warten auf ihre Verwirklichung. Ganz so neu und originell, wie die Forderungen des CDU/CSU-Wahlprogramms daherkommen, sind sie also nicht. Dennoch: Die Christdemokraten haben sich immerhin Mühe gegeben, das Thema in seinen vielen Facetten zu durchdringen.
Michael Thaidigsmann
FDP: Die Liberalen präsentieren sich projüdisch und proisraelisch
Hand aufs Herz: Ginge es am 23. Februar nur darum, wie sich eine Partei zur Sicherheit Israels und zu jüdischem Leben in Deutschland positioniert, könnte die FDP die Partei der Wahl sein. Zum 7. Oktober heißt es in ihrem Programm, der »hinterhältige Terrorangriff der Hamas auf Israel« habe »den Nahostkonflikt neu entfacht«. Die FDP bekennt sich zur Existenz und Sicherheit Israels als »deutscher Staatsräson« und als »unverzichtbarem Pfeiler deutscher Außen- und Sicherheitspolitik«. Bei Rüstungsexporten will die FDP Israel sogar mit den NATO-Staaten gleichstellen. Es dürften keine staatlichen Gelder für Organisation und Projekte ausgegeben werden, die das Existenzrecht Israels infrage stellen. Und: Die FDP will Jugendliche zum Besuch von NS-Gedenkstätten und einer Synagoge »als Ort aktuellen jüdischen Lebens« verpflichten.
Durch eine weitaus weniger überlegte Wortwahl fiel allerdings der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki unlängst auf. Vor der Abstimmung über die umstrittene Migrationspolitik von Friedrich Merz (CDU) im Bundestag ließ er wissen, ihm sei »Latte«, wer noch für diesen Antrag stimme (gemeint war die teils rechtsextreme AfD). Manche erinnern sich noch gut, dass der FDP-Politiker Thomas Kemmerich sich vor fünf Jahren mit AfD-Stimmen zum thüringischen Ministerpräsidenten wählen ließ. Und viele Wähler beschäftigen nicht nur die Wahlprogramme, sondern auch die Frage, welche demokratische Partei nach dem 23. Februar die besten Chancen hat, Koalitionspartner zu werden.
Ayala Goldmann
Grüne: Bekenntnisse, die einerPrüfung kaum standhalten
Zu einer »vielfältigen Gesellschaft ohne Diskriminierung« bekennt sich Bündnis 90/Die Grünen im Wahlprogramm. Unter dieser Überschrift ist zu lesen, die Partei gehe »entschlossen gegen den zunehmenden Antisemitismus« vor – »egal von wem er ausgeht.
Das klingt überzeugend, hält aber einem Abgleich mit der Wirklichkeit nicht stand. Die grüne Kulturstaatsministerin Claudia Roth etwa ignorierte nicht nur die Warnungen aus jüdischen Kreisen, die documenta fifteen im Sommer 2022 könne zu einer Plattform für antisemitische Kunst werden, sondern blieb auch tatenlos, als längst offensichtlich war, was sich in Kassel abspielte. Die jüdische Gemeinde der hessischen Stadt zeigte sich damals verletzt über die antisemitischen Darstellungen, und Gemeindemitglieder fragten sich, wie sicher jüdisches Leben in Deutschland noch ist. Roth versäumte es, in dieser Situation den Kasseler Juden einen Besuch abzustatten. Man mag zynisch anmerken, sie konnte noch nicht wissen, dass zweieinhalb Jahre später im Grünen-Wahlprogramm stehen würde: »Wir sorgen dafür, dass Jüdinnen und Juden in Sicherheit leben können.«
Außenpolitisch stehen die Grünen offiziell hinter Angela Merkels Diktum, dass das Existenzrecht Israels nicht verhandelbar ist. »Unsere Außenpolitik steht im Bewusstsein für unsere Geschichte und die Verantwortung, die unser Land mit dem Grauen des Zweiten Weltkriegs und dem Holocaust auf sich geladen hat.« Trotz dieses Bekenntnisses erwähnt das Wahlprogramm den Terror der Hamas am 7. Oktober 2023 mit keinem Wort. Stattdessen ist zu lesen, es ergebe sich aus der deutschen Geschichte auch die »Verantwortung, für das humanitäre Völkerrecht einzutreten, um menschliches Leid zu verhindern und Warnsignale ernst zu nehmen«.
Anfang des Monats sagte der Grünen-Spitzenkandidat Robert Habeck im Interview mit dieser Zeitung: »Die Hamas trägt die Verantwortung für diesen Krieg.« Einen so deutlichen und eindeutigen Satz vermisst man im Wahlprogramm der Partei. Stattdessen enthält sich Deutschland bei israelfeindlichen Abstimmungen in der UN regelmäßig, und die grüne Außenministerin Annalena Baerbock empfängt Israelfeinde zum Abendessen im Auswärtigen Amt.
Tobias Kühn
SPD: Deutliche Worte zum Iran, verpasste Chance beim Thema Antisemitismus
Mit Olaf Scholz stellten die Sozialdemokraten in den vergangenen drei Jahren den Bundeskanzler. In diese Zeit fiel der Hamas-Angriff auf Israel, der darauffolgende Krieg in Gaza sowie ein rapider Anstieg des Antisemitismus in Deutschland. In dieser schwierigen Gemengelage fällt die Bilanz der SPD durchwachsen aus: Zum einen wurde auch mit Unterstützung der SPD-Fraktion eine Resolution gegen Antisemitismus im Parlament verabschiedet. Zum anderen löste die SPD-Bundestagsvizepräsidentin Aydan Özoguz mit einem Instagram-Beitrag, in dem der Zionismus als im Kern bösartig dargestellt wurde, einen Skandal aus, durch den in der jüdischen Gemeinschaft viel Vertrauen verloren ging.
In ihrem Wahlprogramm verpasst die SPD die Chance, sich klar von linkem Antisemitismus zu distanzieren. Zwar werden die Förderung jüdischen Lebens und der Kampf gegen Judenhass als wichtige Ziele proklamiert, eine differenzierte Beschreibung des Problems bleibt aber aus. So irritiert es, dass der 7. Oktober nicht explizit als Zäsur für die Juden in Deutschland im Text auftaucht und nur »Islamisten« sowie »Rechtsextremisten« als Gefahr für jüdisches Leben konkret genannt werden. Das geht an der Realität der jüdischen Gemeinschaft vorbei. Immerhin sind die Passagen zur Bekämpfung des Islamismus deutlich ausführlicher – und vor dem Hintergrund des oft entschiedenen Vorgehens von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) gegen Aktivitäten der Hamas und des iranischen Regimes in Deutschland auch glaubwürdiger.
Dem Nahen Osten widmet die SPD in ihrem Programm eine ganze Seite. Viel Überraschendes steht dort jedoch nicht: Man verurteilt den Hamas-Angriff auf Israel und betont gleichzeitig die Pflicht des jüdischen Staates, sich ans Völkerrecht zu halten. Terror wird abgelehnt ebenso wie israelische Siedlungen im Westjordanland. Kurzfristig wünscht man sich einen Waffenstillstand für die Region, langfristig eine Zweistaatenlösung. So weit, so sozialdemokratisch. Aufhorchen lässt dagegen die Passage zum iranischen Mullah-Regime: Dieses wird eindeutig als Unruhestifter im Nahen Osten benannt und weitere Maßnahmen gegen die Revolutionsgarden gefordert. Diese Klarheit war im SPD-Programm von 2021 noch nicht zu finden.
Joshua Schultheis
Die Linke: Wenn es um Antisemitismus geht, wird die Linkspartei beliebig
Die Linke hätte die interne Diskussion um den Nahostkonflikt beinahe zerrissen. Trotz des Weggangs von Sahra Wagenknecht und ihrer Getreuen sind die Gräben beim Thema Israel in der Partei nach wie vor tief, und eine lautstarke Minderheit fiel seit dem 7. Oktober 2023 mit der Befürwortung von Terror sowie der Verharmlosung der Hamas auf. Einige prominente Mitglieder, etwa der ehemalige Berliner Kultursenator Klaus Lederer, traten daraufhin aus und warfen ihrer Partei mangelndes Vorgehen gegen Antisemitismus in den eigenen Reihen vor. Zwar folgte der Parteiausschluss eines Mitglieds, das sich auf besondere Weise durch Israelhass hervorgetan hatte. Gut ist damit jedoch längst nicht alles in der Linkspartei. Das Thema bleibt eine offene Wunde, und das auf dem Parteitag Mitte Januar verabschiedete Programm wirkt, als wolle man an diese vor der Bundestagswahl bloß nicht mehr rühren.
Zwar stelle man sich gegen Antisemitismus »in jeglicher Form und egal, woher er kommt«, heißt es in dem Text. Der linke Antisemitismus wird aber nicht näher besprochen und das Problem auch stets nur in einer Reihe mit vielen weiteren erwähnt. Das klingt dann so: »Wir kämpfen gegen Antisemitismus, Antiziganismus, Antimuslimischen Rassismus, Anti-Schwarzen Rassismus sowie jede andere Form von Rassismus.« Beim Bestreben, bloß niemanden zu vergessen, wird es beliebig.
Die Linkspartei verurteilt sowohl das militärische Vorgehen Israels in Gaza – das habe »nichts mit legitimer Selbstverteidigung zu tun« – als auch den »menschenverachtenden Terror der Hamas«. Waffenlieferungen an Israel lehnt Die Linke dann auch konsequenterweise ab. Ein Bekenntnis zur besonderen deutschen Verantwortung gegenüber dem jüdischen Staat sucht man im Wahlprogramm ebenso vergebens wie eine Anerkennung der destruktiven Rolle, die das Mullah-Regime in Nahost spielt. Der Iran wird in dem Text nicht einmal erwähnt. So bleibt das ausgegebene Ziel einer »gerechten Zweistaatenlösung« zwar ehrenwert, aber viel zu wenig durchdacht. Für jüdische Wählerinnen und Wähler hält die Linkspartei jedoch noch ein Bonbon bereit: Jom Kippur soll gesetzlicher Feiertag in Deutschland werden!
Joshua Schultheis
BSW: Für die Wagenknecht-Partei schürt Israel Hass
Zwar mischt Sahra Wagenknecht schon seit mehr als 30 Jahren in der deutschen Politik mit, die nach ihr benannte Partei existiert aber erst seit einem Jahr. Passte das bei der Gründung des BSW verabschiedete Parteiprogramm auf vier Seiten, ist das Wahlprogramm zur Bundestagswahl im Februar zehnmal so lang. In seinem außenpolitischen Kapitel enthält es auch Ausführungen zur Lage in Nahost.
Zwar verurteilt die Partei den Hamas-Angriff vom 7. Oktober 2023, geizt aber nicht mit scharfer Kritik an Israel. Von einem »rücksichtslosen Rache- und Vernichtungsfeldzug der Regierung Netanjahu gegen Frauen und Kinder« ist da die Rede. Weiter heißt es: »Die in Gaza, im Westjordanland wie auch im Libanon verübten Kriegsverbrechen gegen die Zivilbevölkerung empören die Welt zu Recht.«
Israel beantworte Terror mit Terror, behauptet die Wagenknecht-Partei und fordert den sofortigen Stopp deutscher Waffenlieferungen an den jüdischen Staat. Vom Begriff »Staatsräson« distanziert sich das BSW. Damit sei »der unkritische Schulterschluss mit der ultrarechten Regierung Netanjahu« gemeint. Der israelische Premier führe einen »entsetzlichen Krieg«, Israels Vorgehen in Gaza schüre »überall in der arabischen Welt Hass«. Auf diesem Nährboden wachse »die nächste Generation von Führungskräften der Hamas« heran. Die Spirale der Gewalt in Nahost könne nur durchbrochen werden, wenn man auch den Interessen der Palästinenser Rechnung trage und die Zwei-Staaten-Lösung voranbringe.
Konkrete Aussagen zum Schutz jüdischen Lebens in Deutschland sucht man vergebens. Allerdings findet sich im Programm eine scharfe Kritik an der vom Bundestag mit breiter Mehrheit verabschiedeten Antisemitismus-Resolution. Für das BSW, das als einzige Formation geschlossen gegen die Resolution votierte, ist klar: Die Entschließung »verengt den innenpolitischen Debattenraum, indem sie Kritik an Israel weitgehend mit Antisemitismus gleichsetzt«. Man unterscheide »zwischen dem selbstverständlichen Schutz jüdischen Lebens in Deutschland und einer sachlich gebotenen Kritik an israelischen Regierungspositionen«.
Michael Thaidigsmann