»Die Zeit des Zuschauens ist vorbei. Am 20. September kämpfst Du für Deine Zukunft.« Mit dieser eindringlichen Botschaft ruft das Bündnis »Fridays For Future« heute in über 530 Städten zum bundesweiten Klimastreik auf. Zum ersten Mal sollen sich nicht nur Schülerinnen und Schüler, sondern auch Erwachsene an den Demonstrationen beteiligen. In Berlin beginnt eine der Hauptveranstaltungen um 12 Uhr vor dem Brandenburger Tor.
»Die Demonstrationen von Fridays for Future haben eindrucksvoll bewiesen, dass Bürger etwas bewegen können. Keine Partei kann es sich mehr leisten, den Klimawandel zu ignorieren. Vor den vielen Aktivistinnen und Aktivisten, die sich seit einem Jahr weltweit unermüdlich engagieren, habe ich hohen Respekt. Zugleich hoffe ich, dass die jungen Leute dadurch insgesamt politisiert worden sind und sich auch für andere wichtige gesellschaftliche Themen einsetzen werden«, sagte Zentraratspräsident Josef Schuster.
Schüler In Frankfurt am Main engagieren sich immer wieder freitags Schüler der I. E. Lichtigfeld-Schule bei den »Fridays For Future«-Demonstrationen. Heute allerdings wird die Veranstaltung noch größer – es ist schließlich der dritte globale Klimastreik. Außerdem ist Weltkindertag, und in Frankfurt wurde die Initiative »Parents For Future« aktiv, sagt Noga Hartmann, Direktorin der Lichtigfeld-Schule.
Bisher galten die versäumten Stunden als unentschuldigtes Fehlen. Heute haben die Eltern nun ausnahmsweise die Möglichkeit, ihren Kindern einen Entschuldigungsbrief für die letzten beiden Unterrichtsstunden mitzugeben. Glücklicherweise sei es sowieso ein kurzer Schultag, sagt Hartmann. Somit seien die Kids und Jugendlichen, die sich für den Klimaschutz einsetzen wollen, entschuldigt.
Die JSUD will sich im neuen jüdischen Jahr mit dem Thema »Foodwasting« auseinandersetzen.
Nach der zweiten großen Pause ab 11.25 Uhr dürfen sie – sofern der Brief der Eltern vorliegt – die Schule verlassen, um mit zu demonstrieren. »Ich finde es nicht verkehrt, über den Tellerrand zu schauen«, sagt Noga Hartmann. Man dürfe nicht klein und engstirnig sein, sondern müsse großzügiger denken und auch in die Gesellschaft reinhören.
Lehrer Diskutiert wurde im Lehrerkollegium, ob auch die Pädagogen sich beteiligen sollten. Zwischendurch gab es die Idee, die Kinder zu beaufsichtigen – wovon aber wieder Abstand genommen wurde.
»Ich hoffe, dass die Eltern diesen Part übernehmen«, betont Noga Hartmann. Denn in Frankfurt haben sich mehrere Tausend Menschen angekündigt. »›Lehrer For Future‹ heißt deshalb bei uns, dass sie in der Schule bleiben und unterrichten«, sagt sie mit einem Lachen.
Die Schule widmet sich im Unterricht immer wieder dem Umweltschutz und bietet auch regelmäßig Projekte an. Die Achtklässler vom letzten Schuljahr wollten beispielsweise wissen, wie hoch der Papierverbrauch ist, und haben eine Woche die Abfalleimer geleert und es gesammelt. Danach machten sie einen Workshop mit, in dem sie lernten, wie man Altpapier herstellt.
Generation Aviva Cateva aus Düsseldorf rechnet mit unentschuldigten Fehlzeiten, wenn sie rechtzeitig zur Demo geht. Bis Donnerstagabend war sie unsicher, ob sie sich direkt nach Schulschluss auf den Weg macht und etwas später auf sie stößt oder ein paar Unterrichtseinheiten verpasst. »Es gilt ja die Schulpflicht.«
Sie besucht ein Gymnasium. »Ich finde, man muss sich für die Umwelt einsetzen, denn es sieht nicht gut aus«, so die 15-Jährige. Und ihre Generation wird am meisten von den Auswirkungen betroffen sein. Sie hofft, dass die Politiker heute richtige Entscheidungen treffen werden.
Lehrer sind verpflichtet, das Neutralitätsgesetz zu wahren.
Für Arbeitnehmer gilt: Die Teilnahme an politischen Streiks während der Arbeitszeit ist in Deutschland nicht möglich. »Ich bin nicht dabei. Lehrer sind verpflichtet, das Neutralitätsgesetz zu wahren, und können nicht an dieser Demo teilnehmen«, sagt eine jüdische Lehrerin, die an einer staatlichen Schule in Berlin unterrichtet.
Nachhaltigkeit Umwelt, Nachhaltigkeit und Klima, all das sind Themen, mit denen sich die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) im Rahmen von Seminaren und Fortbildungen regelmäßig auseinandersetzt. Dabei stehen »insbesondere praxisnahe und den eigenen Haushalt betreffende Themen im Vordergrund«. »Als Wohlfahrtsverband fordern wir eine stärkere Berücksichtigung sozialer Aspekte im Rahmen der aktuellen Kimadebatte«, sagt der ZWST-Direktor Aron Schuster. So müsse beispielsweise eine Bepreisung von Kohlendioxid in ihren Auswirkungen auf Menschen mit niedrigen Einkommen bewertet werden. »Die gesamte Mobilitätswende muss sozialverträglicher gestaltet werden und arme beziehungsweise armutsgefährdete Menschen stärker in den Blick nehmen.«
JSUD Auch Mitglieder der Jüdischen Studierendenunion Deutschland (JSUD) machen sich am Freitag auf den Weg zur bundesweiten Demonstration. Aber auch über die Veranstaltung hinaus sind Themen wie Umwelt und Klima für die Studierenden ein wichtiges Anliegen.
Mischa Ushakov, der Präsident der JSUD, plant gemeinsam mit seinen Mitstreiterinnen und Mitstreitern »eine Vielzahl von Kampagnen«. »Den Leuten muss bewusst werden, dass es sich hierbei, um ein jüdisches Thema handelt und Nachhaltigkeit in der Tora verankert ist.«
Die EUJS verabschiedete vor Kurzem ein umweltpolitisches Manifest.
Bereits jetzt sei die JSUD dabei, ihr »Büro und die Abläufe möglichst nachhaltig zu gestalten«. Wie das in der Praxis aussieht, erläutert Ushakov so: »Von den Plastikbechern über Papierhandtücher bis zum Spülmaschinentab – alles ersetzen wir durch ökologische Alternativen und versuchen, diese auch bei unseren Partner*innen zu bewerben.« Denn es könne nicht sein, »dass jede jüdische Veranstaltung so viel Plastikmüll verursacht«. Mithilfe von Bambus und Palmblättern gehe das besser.
EUJS Der europäische Studierendenverband EUJS verabschiedete vor Kurzem ein umweltpolitisches Manifest, in dem – mit ausdrücklichem Verweis auf die Tora – Maßnahmen zur Senkung des weltweiten CO2-Ausstoßes gefordert werden.
Bei der EUJS will man mit gutem Beispiel vorangehen: Die Verpflegung bei eigenen Veranstaltungen soll künftig weitgehend fleischlos sein, und die Teilnehmer werden dringend gebeten, mit der Bahn anzureisen und nicht mit dem Flugzeug.
Schwerpunkt »Klimaschutz wird einer unserer Schwerpunkte in den nächsten zwei Jahren sein. Wir sind auch gerade dabei, eine Klima-Arbeitsgruppe zu bilden. Es sind auch einige unserer Mitgliedsverbände aktiv, insbesondere die Jüdische Studierendenunion Deutschland«, sagt der neue EUJS-Präsident Bini Guttmann aus Österreich.
Auch die JSUD hat sich für das anstehende neue jüdische Jahr viel vorgenommen. Einem Thema möchten sie sich mit Nachdruck widmen, dem Foodwasting. Dazu zählt beispielsweise, das »auf unseren Seminaren übrig gebliebene Essen zu verteilen«. Gute Vorsätze. Dann kann 5780 ja kommen. (kat)