Herr Shalicar, nach sieben Wochen Krieg und einer jetzt vereinbarten Feuerpause: Aus welcher Perspektive betrachten Sie das Geschehen?
Die Hamas ist im nördlichen Gazastreifen komplett in der Defensive. Doch wenn wir unser Versprechen, die Hamas zu zerstören, einlösen wollen, müssen wir in andere Bereiche des Gazastreifens vordringen – auch mit dem Ziel, alle Geiseln zu befreien. Im Norden Israels befinden wir uns weiterhin in Gefechten und wissen, dass die Lage noch problematischer werden kann. Doch ich sehe auch die Situation innerhalb Israels: Eine Viertelmillion Menschen wurde evakuiert, noch mehr sind im Reservedienst, viele sind weiterhin ständig unter Raketenbeschuss.
Die internationale Kritik an der hohen Zahl ziviler Opfer im Gazastreifen wächst. Wie reagieren Sie darauf?
Die Kritik gibt es, aber auch Solidarität und Unterstützung von vielen Staaten auf der Welt, zum einen von offizieller, zum anderen von inoffizieller Seite. Viele wissen, dass die Hamas die Verantwortung dafür trägt, dass Zivilisten im Gazastreifen zu Tode kommen. Wir hören die Kritik, sind uns der Situation bewusst. Gleichzeitig machen wir deutlich, dass wir uns weiterhin in einem Verteidigungskrieg befinden. Und nach wie vor sind Menschen, die am 7. Oktober gekidnappt wurden, in den Händen der Terroristen.
Rund 2000 Journalisten aus aller Welt sind zur Berichterstattung in Israel. Wundert es Sie, dass keine andere kriegerische Auseinandersetzung solche Aufmerksamkeit erfährt?
Das ist ein Phänomen, schließlich gibt es auf der Welt mehrere Konfliktzonen. Vielleicht ist es damit zu erklären, dass sich bei diesem Krieg Juden gegen eine existenzielle Bedrohung wehren. Ich bin schon verwundert, dass die Kameras sich fast nur auf den Gazastreifen richten und nicht auch zeigen, was beispielsweise im Iran geschieht oder was die Türken in Syrien machen.
Es ist auch ein Kampf mit Bildern. Welche Strategie verfolgen Sie?
Wir wollen der Welt zeigen, was am 7. Oktober geschah und wie die israelische Armee im Rahmen des Völkerrechts vorgeht. Das belegen wir mit Beweismaterial. Aber wir verbreiten nicht nur Bilder. Beispielsweise erreiche ich auch mit meinem Podcast »Nahost Pulverfass« täglich Zehntausende Menschen, die Informationen aus erster Hand wollen.
Wie viele Reservisten in Israel haben auch Sie am 7. Oktober alles stehen und liegen lassen und sind seitdem im ständigen Einsatz. Wie geht es Ihnen?
Ich bin weiterhin hoch motiviert, weil ich weiß, dass ich zu 100 Prozent auf der richtigen Seite stehe. Deshalb spüre ich auch keine Müdigkeit. Und die Uniform werde ich erst wieder ablegen, wenn alle Geiseln befreit sind und die Hamas zerstört ist.
Das Interview mit dem Sprecher der israelischen Armee führte Detlef David Kauschke.