Nun steht es also fest: Am 17. März sollen die Israelis ein neues Parlament wählen. Am Montagabend hatte sich die 19. Knesset mit 93 zu 120 Stimmen aufgelöst und nach 22 Monaten voller politischer Querelen den Weg für einen Neuanfang frei gemacht. Zwar waren vor der Abstimmung noch Gerüchte im Umlauf, eine neue Koalition aus Likud und den religiösen Parteien könnte die Neuwahlen verhindern. Aber schließlich schien ein klarer Schnitt wohl die beste Lösung.
Für fast alle – außer für den amtierenden Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. Innerhalb weniger Tage ist die politische Zukunft des bis dato unumstrittenen »King Bibi« völlig unvorhersehbar geworden. Der bereits begonnene Wahlkampf rückt den 65-Jährigen in den Mittelpunkt. Das Motto seiner Gegner: Jeder kann gewinnen, Hauptsache Netanjahu nicht.
mitte-links Im Aufwind sind vor allem die Mitte-Links-Parteien. Eine aktuelle Umfrage hat der Arbeitspartei zusammen mit der Partei Hatnua der jüngst entlassenen Justizministerin Zipi Livni 23 Sitze in der nächsten Knesset prognostiziert. Das mögliche Bündnis läge damit vor vor Netanjahus Likud, dem derzeit 21 Mandate vorhergesagt werden. Itzhak Herzog, Chef der Arbeitspartei, der seinen Anspruch auf das Amt des Regierungschefs bereits angekündigt hat, erklärte: »Es ist an der Zeit, unsere Egos in Schach zu halten und den Rahmen für eine gute Zusammenarbeit zu finden.«
Auch Livni stimmte ihre Fraktion auf einen Regierungswechsel ein: »Diese Wahlen finden statt, weil der Premier Angst vor seinen Ministern hat. Sie sind eine Gelegenheit, den bisherigen Ministerpräsidenten zu ersetzen.« Das Land brauche eine Regierung, die Entscheidungen um das Thema Sicherheit nicht auf der Grundlage von Angst fällt und die Israels jüdischen und demokratischen Charakter in einer ausgewogenen Weise bewahrt.
allianzen Ob Hatnua sich der Arbeitspartei anschließt, ist noch nicht entschieden. Ähnliches gilt für die linke Meretz und die liberale Kadima, die darüber nachdenken, ob sie gemeinsam antreten oder zumindest mit einer gemeinsamen Botschaft in den Wahlkampf gehen wollen.
Unterdessen schmiedet auch Yair Lapid, der bisherige Finanzminister und Chef der Zukunftspartei, Pläne für neue Allianzen. Seine Partei – bei den vergangenen Wahlen mit 19 Sitzen aus dem Stand die große Gewinnerin – würde den aktuellen Umfragen zufolge zehn Mandate verlieren. Lapid konnte die Wähler nicht überzeugen. Zu viele unausgereifte Ideen, zu viel Unerfahrenheit, lauten die Vorwürfe. Lapid liebäugelt sowohl mit Hatnua als auch mit dem moderaten rechten Lager.
Zu dem gehört auch der ehemalige Netanjahu-Vertraute und Ex-Likudnik Moshe Khalon, der mit einer neuen Partei antreten will: Er kann nach derzeitigem Stand mit neun Mandaten rechnen. Khalon findet auch Unterstützung im Mitte-Links-Lager, denn er verspricht, die Lebenshaltungskosten zu senken und dafür Subventionen für die ultraorthodoxen Bereiche und den Siedlungsbau zu reduzieren. Als durchaus koalitionsfähig gilt dabei inzwischen auch Außenminister Avigdor Lieberman mit seiner Partei »Unser Haus Israel«. Zur Zweistaatenlösung etwa hat der Mann, der als rechter Hardliner gilt, seine Meinung geändert, und auch sonst ist er zu erstaunlichen Zugeständnissen bereit.
likud Die größte Konkurrenz droht Netanjahu jedoch aus dem eigenen Lager: Gideon Sa’ar, früherer Innenminister, der vor zwei Monaten seinen Rückzug aus der Politik bekannt gegeben hatte, ist bemerkenswert populär. Wäre er Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten, bekäme er 43 Prozent der Stimmen, Bibi lediglich 38. Zurzeit sammeln Unterstützer vorsorglich Unterschriften, um Sa’ar den Weg zu ebnen, sollte er zurück in die Politik wollen.
Selbst der Unruhestifter Moshe Feiglin könnte Netanjahu gefährlich werden: Mit ihm an der Spitze würde der Likud ähnlich viele Stimmen wie mit Netanjahu erhalten, so Umfrageergebnisse. Kein Wunder, dass der Premier alles versucht, um die parteiinterne Konkurrenz auszuschalten: So will er beispielsweise den Termin für die Parteivorstandswahlen vorverlegen.
Eine neu-alte Koalition könnte Netanjahu auch mit der sefardisch-religiösen Schas-Partei und der strenggläubigen Partei »Vereintes Tora-Judentum« eingehen. Doch dafür müsste er die Beschlüsse zum Armeedienst für Ultraorthodoxe und noch einiges andere rückgängig machen.
Wie groß Netanjahus Macht und Spielraum sind, lässt sich derzeit kaum sagen.