Vorbehalte gegen Juden sind in der deutschen Bevölkerung weiterhin sehr verbreitet. Das gilt weit überdurchschnittlich für Anhänger der AfD. Zu diesen Ergebnissen kommt eine Forsa-Untersuchung im Auftrag des Zentralrats der Juden in Deutschland.
Demnach stimmen in der Gesamtbevölkerung ein Viertel bis ein Drittel offen oder implizit antisemitischen Klischees zu. So bejahten 30 Prozent aller Teilnehmer und 59 Prozent der befragten AfD-Wähler die Aussage, Juden zögen »für sich einen Vorteil aus der deutschen Schuld am Holocaust«.
21 Prozent stimmten der Aussage zu, »was Juden heute mit den Palästinensern machen«, sei »nichts anderes« als das, »was die Nationalsozialisten mit Juden gemacht haben«. Bei den AfD-Wählern waren es 31 Prozent. 24 Prozent aller Befragten und 50 Prozent der AfD-Wähler meinten, Juden hätten »einen großen Einfluss auf die Politik in Deutschland«.
Die Studie ist Teil einer breiten Umfrage-Sammlung im Rahmen des jüdisch-muslimischen Dialogprojekts »Schalom Aleikum« des Zentralrats, die an diesem Dienstag veröffentlicht wurde und am Abend im Rahmen einer Veranstaltung im Deutschen Historischen Museum in Berlin diskutiert werden sollte. Dafür wurden seit 2019 insgesamt 3914 Personen befragt, davon 1004 Teilnehmer ab 18 Jahren repräsentativ im Juni dieses Jahres. Mehrere Befragungen konzentrierten sich auf Interessierte am jüdisch-muslimischen Dialog und sind deshalb nicht repräsentativ.
Als Hauptgrund für den Antisemitismus unter Muslimen gaben Teilnehmer den Nahostkonflikt an. Zudem ergaben die Untersuchungen, dass Juden und Muslime wesentlich häufiger Diskriminierungserfahrungen wegen ihrer Religion machen als der Landesdurchschnitt. 40 Prozent aller jüdischen und mehr als die Hälfte der muslimischen Dialog-Interessierten berichteten, innerhalb eines Jahres auf irgendeine Weise benachteiligt, ausgegrenzt oder bedroht worden zu sein.
Aufgrund der ethnischen Herkunft wurde demnach jeder fünfte Jude und jeder zweite Muslim diskriminiert. Über die Hälfte der Vorfälle fand im Internet statt, vorwiegend in Sozialen Netzwerken, gefolgt von Ereignissen bei der Wohnungssuche und im Berufsleben.
In der repräsentativen Studie gaben 54 Prozent der befragten Bürger an, Kontakt zu Muslimen zu haben, 12 Prozent berichteten über Kontakte zu Juden. Die Initiatoren von »Schalom Aleikum« geben in dem neuen Band auch Handlungsempfehlungen, um das Verhältnis zwischen Juden und Muslimen sowie innerhalb der Gesellschaft zu verbessern. Sie fordern etwa mehr Begegnungs- und Dialogprogramme und bessere Beratungsmöglichkeiten bei Diskriminierung.
Zudem müssten Antisemitismus als gesamtgesellschaftliches Phänomen besser bekämpft und Lehrkräfte dafür sensibilisiert werden. Insbesondere die Forschung zu antisemitischen Einstellungen unter Muslimen sei zu stärken, gerade auch hinsichtlich des Nahostkonflikts.
Mit Blick auf antisemitische Stereotype unter AfD-Sympathisanten plädiert »Schalom Aleikum« für eine intensivere Extremismus- und Präventionsforschung. Außerdem sollte die Zusammenarbeit zur Bekämpfung von Antisemitismus auf Social-Media-Plattformen wachsen. kna/ja
INFORMATIONEN zur »Schalom Aleikum«-Initiative:
»Schalom Aleikum. Jüdisch-muslimischer Dialog« ist ein bundesweites Projekt des Zentralrats der Juden in Deutschland. Ziel ist ein offener Austausch zwischen jüdischen und muslimischen Akteuren der Zivilgesellschaft jenseits der Funktionärsebene. So gab es in der Vergangenheit beispielsweise Veranstaltungen mit Ärzten, Sportlern und Unternehmern. »Das Dialogprojekt hat das konkrete Ziel, Antisemitismus gar nicht erst entstehen zu lassen. Denn wer aus seiner Lebensrealität heraus miteinander spricht, geht ohne Vorbehalte aufeinander zu«, heißt es beim Zentralrat der Juden. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz, fördert das seit 2019 bestehende Projekt. Flankiert wurde es durch bisher fünf Publikationen, zuletzt ein umfassender Band mit Umfragen zu Antisemitismus und Muslimfeindlichkeit, der am heutigen Dienstag erscheint.