Nach einer Grundsatzrede Barack Obamas zu den Umwälzungen in der arabischen Welt und seiner Nahostpolitik fallen die Reaktionen in Israel und Deutschland recht unterschiedlich aus. Der US-Präsident hatte sich am Donnerstag erstmals öffentlich für einen israelischen Rückzug auf die Grenzen von 1967 mit einem Gebietsaustausch in beiderseitigem Einvernehmen eingesetzt. Dies würde die Möglichkeit eröffnen, dass Veränderungen seit der israelischen Besetzung des Westjordanlands im Zuge des Sechstagekriegs berücksichtigt werden.
grenzen Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu äußerte sich kurz vor einem Treffen im Weißen Haus an diesem Freitag enttäuscht über Obamas jüngste Friedensvorschläge. Die Gründung eines Palästinenserstaates dürfe nicht auf Kosten der Existenz Israels erfolgen. Der Regierungschef erinnerte in diesem Zusammenhang an eine Zusage der US-Regierung aus dem Jahr 2004, nach der von Israel kein Rückzug auf die Grenzen von 1967 erwartet werde. Diese Grenzen seien nicht zu verteidigen. Die Gebiete umfassen das Westjordanland, in dem sich die jüdischen Siedlungsblöcke befinden. Ein derartiger Plan würde die Aufgabe der Siedlungen in der Westbank mit sich bringen. Netanjahu wird am kommenden Dienstag eine mit Spannung erwartete Rede vor beiden Häusern des US-Kongresses halten.
Noch vor seiner Abreise nach Washington hatte der israelische Premier klar gestellt, dass er Obamas Friedensbemühungen anerkenne, »ein palästinensischer Staat indes nicht auf Kosten von Israels Existenz« realisiert werden könne. Er verlange die Verpflichtung der USA, dass man im Falle eines Friedensabkommens bestimmte Siedlungen behalten dürfe. »Die Palästinenser und nicht nur die Vereinigten Staaten, müssen Israel als die Nation des jüdischen Volkes anerkennen«, hieß es weiter. Außerdem würde kein territoriales Zugeständnis jemals den Konflikt beenden, löse man nicht das Flüchtlingsproblem. »Die Flüchtlinge müssen außerhalb von Israels Grenzen angesiedelt werden.«
Fortschritte Nach Ansicht von Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) zeigt Obamas Nahostrede, dass die USA den Friedensprozess wieder mutig mitgestalten wollten. Er begrüße, dass sich der US-Präsident »so klar und engagiert zum Ziel einer umfassenden und gerechten Zwei-Staaten-Lösung im Nahen Osten« bekannt habe. »Wir werden alle Bemühungen unterstützen, die Fortschritte in diese Richtung ermöglichen.« Das Treffen zwischen Obama und Netanjahu in Washington könnte laut Westerwelle Fortschritte im Friedensprozess bringen. »Für uns ist entscheidend, dass wir derzeit ein historisches Fenster haben im Nahen Osten, im Norden Afrikas, in der arabischen Welt«, sagte er im Deutschlandfunk.
Für den außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Philipp Mißfelder, steht nach Obamas Rede »vor allem die Sicherheit Israels an erster Stelle«. Rudolf Dreßler, der von 2000 bis 2005 deutscher Botschafter in Jerusalem war, zeigte sich verärgert über die Reaktion Netanjahus: »Ich bin enttäuscht«, sagte er der Jüdischen Allgemeinen: »Jetzt geht es doch darum, ob man bereit ist, dem Satz von Ariel Scharon, man müsse schmerzhafte Kompromisse machen, Inhalte zu verleihen.« Außerdem sei der Frieden wichtiger als eine Regierungskoalition. Ansonsten hätten ihn Obamas Ausführungen nicht überrascht, sagte Dreßler. »Wenn sich Amerikas Präsident nicht selbst widersprechen wollte, musste er diese Linie weiterfahren.«
Kerstin Müller, außenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, sagte unserer Zeitung: »Die Glaubwürdigkeit der USA in der Region hängt davon ab, ob es konkrete Fortschritte im Nahost-Friedensprozess geben wird. Insofern ist es zu begrüßen, dass sich US-Präsident Obama zu einer Zwei-Staaten-Lösung auf Basis der Grenzen von 1967 bekennt«.
Der ehemalige israelische Botschafter in Deutschland, Shimon Stein, meint: »Es war eine längst fällige Rede, deren Inhalt in Bezug auf den israelisch-palästinensischen Konflikt für die notwendige Klarheit gesorgt hat.« Präsident Obama habe unter dem Druck gestanden, die amerikanische Position zum Konflikt darstellen zu müssen: Grenzen und Sicherheit haben Vorrang, alle andere Fragen – auch Jerusalem und die palästinensischen Flüchtlinge – folgen. »Premierminister Netanjahu bekommt damit die Quittung für seine Politik, die darin besteht, stets nur im Nachhinein auf Ereignisse zu reagieren, statt zu agieren. Es ist eine Politik, die sich an Wunschdenken und nicht an Realität orientiert.« Nach Ansicht Steins sei das Vertrauen beider Seiten zwar jetzt auf einem Tiefpunkt angekommen, »aber das Gute ist, das nun Klarheit herrscht«.
(Mitarbeit: Sabine Brandes; mit dpa)