Am kommenden Sonntag startet die 60. »Woche der Brüderlichkeit« mit einem Festakt im Gewandhaus Leipzig. Die Ursprünge dieser einzigartigen Veranstaltungsreihe liegen in den Reeducation-Maßnahmen der Alliierten nach 1945. Es war ein Versuch der amerikanischen Besatzungsmacht, die wenigen Juden, die die Schoa überlebt hatten, mit Christen in Deutschland in einen Dialog zu bringen.
Was als einzelne Veranstaltung unter den Augen der Alliierten begann, wurde 1952 in der jungen Bundesrepublik zur ersten Woche der Brüderlichkeit. Bundespräsident Theodor Heuss hielt eine im Radio übertragene Ansprache; Konrad Adenauers Einigung mit der Jewish Claims Conference über das Wiedergutmachungsabkommen bildete den politischen Rahmen.
Popstars Seitdem ist viel geschehen: Mittlerweile wird die Woche der Brüderlichkeit gemeinsam von über 80 Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit organisiert. In vielen Städten gibt es zahlreiche Veranstaltungen, die noch immer das gleiche Ziel wie in der Zeit unmittelbar nach der Schoa haben: Judenhass abzubauen und Verständnis und Interesse für den Glauben des anderen zu wecken. Das Spektrum reicht von Konzerten mit Popstars, über Veranstaltungen gegen Rassismus bis zum interreligiösen Dialog zwischen Rabbinern und christlichen Geistlichen.
In diesem Jahr lautet das Jahresthema der Woche der Brüderlichkeit »In Verantwortung für den Anderen – 60 Jahre Woche der Brüderlichkeit«. Höhepunkt ist auch diesmal die Verleihung der Buber-Rosenzweig-Medaille. Der Vorsitzende des Rates der Evangelische Kirchen Deutschlands, Präses Nikolaus Schneider, wird sie in diesem Jahr erhalten. Zu den früheren Preisträgern zählen der Violinist Yehudi Menuhin, die langjährige Leiterin der Alten Synagoge Essen, Edna Brocke, der niederländische Schriftsteller Leon de Winter und der Architekt Daniel Libeskind.
Nikolaus Schneider wird unter anderem für seine »deutliche Absage an die Judenmission ohne Wenn und Aber« gewürdigt, wie es in der Begründung heißt. Diese Ab-sage erwachse aus der Überzeugung, dass die Kirche nicht an die Stelle, sondern an die Seite des Gottesvolkes Israel getreten ist. Am Samstag wird Schneider in Leipzig, einen Tag vor der Eröffnungsveranstaltung der Woche der Brüderlichkeit, die Auszeichnung überreicht.