Mehr als 3.000 Menschen haben am Sonntag bei starkem Regen in Berlin gegen Antisemitismus, Judenhass, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit demonstriert. Hinter einem Banner »Nie wieder ist jetzt - Deutschland steht auf« liefen sie zum Brandenburger Tor, wo eine Kundgebung geplant war.
In der ersten Reihe waren unter anderem Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU), der Schlagersänger Roland Kaiser, Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und der Publizist Michel Friedman dabei.
Aufgerufen zu der Kundgebung am Brandenburger Tor hatte ein Bündnis aus Verbänden, Politikern und Prominenten. Alle Bürgerinnen und Bürger seien aufgerufen, für ein friedliches und respektvolles Miteinander einzutreten, hieß es in ihrem Aufruf.
Josef Schuster: »Die Lage der jüdischen Gemeinden in Deutschland ist dramatisch«
Auf der Kundgebung am Brandenburger Tor sprachen unter anderem Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (beide SPD), Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU), der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, und der Sänger Roland Kaiser.
»Die Vernichtungsideologie der Hamas richtet sich nicht nur gegen Israel. Sie richtet sich gegen Juden in aller Welt, auch in Deutschland«, sagte Josef Schuster in seiner Rede. »Die Lage der jüdischen Gemeinden in Deutschland ist dramatisch. Sie sind massiv unter Druck angesichts des antisemitischen Aufruhrs auf deutschen Straßen – viele von ihnen haben in den vergangenen Wochen direkt antisemitische Angriffe zu spüren bekommen.«
Bundestagspräsidentin Bas versicherte als Schirmherrin der
Veranstaltung Jüdinnen und Juden volle Solidarität:
»Hier sind wir«, sagte Bas und fügte hinzu: »Wir alle stehen auf
gegen Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit.«
»Es sind zu wenige, die gekommen sind«
Michel Friedman
Seit dem Überfall der Hamas auf Israel habe auch in Deutschland
Antisemitismus massiv zugenommen, auf durchschnittlich 29 Fälle pro
Tag. Dagegen setze diese Demonstration ein kraftvolles, sichtbares
und lautes Zeichen, betonte die Bundestagspräsidentin. »Nie wieder«
sei keine abstrakte Formel, sondern ein konkreter Auftrag, betonte
Bas. Jeder Einzelne müsse sich fragen, was »Nie wieder« für ihn
persönlich bedeute.
Der Publizist Michel Friedman sagte mit Blick auf die Teilnehmerzahl unter Beifall: »Es sind zu wenige, die gekommen sind.«
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) mahnte, der Massenmord
der Schoah an den europäischen Juden dürfe sich niemals wiederholen.
Israel habe das Recht sich zu verteidigen, Deutschland stehe an
Israels Seite. Heil zeigte sich beschämt darüber, dass Jüdinnen und
Juden hierzulande wieder Angst hätten. »Menschenfeindlichkeit wird
nicht toleriert in diesem Land«, versicherte der
Bundesarbeitsminister. Allerdings seien zu viele Menschen zu leise:
»Wir brauchen keine schweigende, sondern eine laute Mehrheit.«
Auch der Sänger Roland Kaiser zeigte sich beschämt über
Antisemitismus in Deutschland. Jüdinnen und Juden hätten wieder Angst
und erlebten Angst und Hasse. Für Antisemitismus gebe es aber keine
Rechtfertigung, betonte der Sänger. Der Schutz jüdischen Lebens sei
der Auftrag aller.
Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) unterstrich:
»Israelfeindlichkeit, Hass und Hetze gehören nicht zu unserem
Berlin.« Jüdinnen und Juden in dieser Stadt seien nicht allein,
Berlinerinnen und Berliner sollten in dieser Zeit zusammenstehen.
Jüdisches Leben in der Hauptstadt sei ein großes Glück, dessen Schutz
eine gemeinsame Verantwortung.
Ziel der Demonstration war es laut den Organisatoren, ein kraftvolles Signal zu senden, dass weder in Berlin noch anderswo in Deutschland Judenfeindlichkeit, Hass oder Fremdenfeindlichkeit geduldet werden. Ein Sprecher der Polizei bezifferte die Teilnehmendenzahl am Nachmittag auf etwa 3.200. An dem Bündnis beteiligt waren neben Persönlichkeiten des öffentlichen und kulturellen Lebens auch Sportvereine und -institutionen, der Zentralrat der Juden, die katholische Deutsche Bischofskonferenz, die Evangelische Kirche in Deutschland und die muslimische Alhambra Gesellschaft. epd