Rückblende

1994: Neuer Philosemitismus

Als im März 1994 Schindlers Liste in die deutschen Kinos kam, hatten schon Millionen von Amerikanern Steven Spielbergs Verfilmung der wahren Geschichte des Judenretters Oskar Schindler gesehen. Auch in Deutschland wurde der Film ein enormer Erfolg und löste zahlreiche Diskussionen aus: ob man denn die Geschichte eines »guten« Deutschen in den Vordergrund stellen dürfe, ob die Hollywood-Version des Holocaust nicht zu kitschig sei und ob die historischen Fakten überhaupt stimmten.

Schindlers Liste war 1994 kein isoliertes Ereignis. Die Bundesrepublik erlebte damals eine Welle des öffentlichen Interesses an jüdischer Kultur. Jüdische Kulturtage von Saarbrücken bis Leipzig erfreuten sich großen Publikumszulaufs. Zahlreiche Neuerscheinungen mit jüdischer Thematik – ob Belletristik oder Sachbuch – kamen auf den Buchmarkt. In den Hamburger Kammerspielen wurde im Januar 1994 ein »Jewsical« mit dem Titel Meschugge vor Hoffnung gezeigt, und einen Monat später das Stück Unheilbar deutsch des österreichisch-jüdischen Autors Peter Sichrowsky über die rechtsextreme Szene. Der israelische Dramatiker Jehoschua Sobol ließ in Düsseldorf sein neues Drama Schöner Toni uraufführen. Im Frankfurter Jüdischen Museum eröffnete eine spektakuläre Ausstellung über die Rothschilds – um nur einige wenige der vielen jüdischen Events zu nennen, die die wenige Jahre nach dem Fall der Mauer in Deutschland über die Bühne liefen.

skurrilitäten Einiges an diesem neu erwachten Interesse war ziemlich skurril. So etwa, als während der Olympischen Winterspiele im norwegischen Lillehammer ein deutsches Eiskunstlaufpaar in chassidisch anmutender Kleidung zu jiddischen Melodien tanzte, oder dass die Deutsche Bahn einen ihrer neuen Intercity-Züge nach Anne Frank benennen wollte. Vieles war auch ein Reflex auf die jahrzehntelange Vernachlässigung des Umgangs mit der jüdischen Vergangenheit und Gegenwart. Die junge Generation wollte endlich wissen, was ihre Eltern und Großeltern verschwiegen hatten und versuchte sich in – nicht immer geschmackvollen – Wiedergutmachungskünsten.

Doch nicht nur auf der Bühne, im Museum und im Eisstadion gab es wieder Juden zu sehen, auch die jüdische Einwanderung aus der ehemaligen Sowjetunion lief auf Hochtouren. Neue Synagogen wurden zwischen Aachen und Heidelberg gebaut und eingeweiht. Der Alltag hatte freilich auch seine anderen Seiten. Ein Brandanschlag auf die Synagoge in Lübeck rief diejenigen wieder in die Realität zurück, die ein halbes Jahrhundert nach der Schoa den Antisemitismus gerne im Kinosaal zurückgelassen hätten.

Lasse Schauder

Wer den Begriff »Islamismus« bannen will, ist politisch unmündig

Die Berliner Jusos haben beschlossen, aus Gründen der Sprachsensibilität künftig nicht mehr von »Islamismus« sprechen zu wollen. Das ist ein fatales Signal an Betroffene extremistischer Gewalt

von Lasse Schauder  16.04.2025

Meinung

Nur scheinbar ausgewogen

Die Berichte der Öffentlich-Rechtlichen über den Nahostkonflikt, wie die von Sophie von der Tann, sind oft einseitig und befördern ein falsches Bild von Israel

von Sarah Maria Sander  16.04.2025

Eren Güvercin

Wo sind die Gelehrten, die der Fatwa gegen Israel widersprechen?

Ein ranghoher Geistlicher erklärt den Kampf gegen Israel zur Pflicht eines jeden Muslims. Kritik an diesem offenen Terroraufruf sucht man bei deutschen Islamverbänden vergeblich

von Eren Güvercin  16.04.2025

Finanzhilfe

Zentralrat: UNRWA darf in seiner derzeitigen Form keine Zukunft haben

Das Hilfswerk für die Palästinenser in Gaza steht nach zahlreichen Terrorvorfällen massiv in der Kritik

 16.04.2025

Berlin

Hisbollah-Anhänger bei Razzia in Neukölln festgenommen

Der Mann habe sich nach den Hamas-Massakern im Libanon ausbilden lassen, um gegen Israel zu kämpfen

 15.04.2025

Krieg in Gaza

»Fatwa«: Islamische Gelehrte rufen zum Dschihad gegen Israel auf

Ein in London ansässiger Verband hetzt gegen Israel. Die Deutsch-Israelische Gesellschaft sieht eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit auch in Deutschland

von Michael Thaidigsmann  15.04.2025

Essay

Warum ich stolz auf Israel bin

Das Land ist trotz der Massaker vom 7. Oktober 2023 nicht zusammengebrochen, sondern widerstandsfähig, hoffnungsvoll und vereint geblieben

von Alon David  15.04.2025 Aktualisiert

Joshua Schultheis

Im Krieg braucht es ein Korrektiv

Das israelische Militär will den verheerenden Angriff auf Krankenwagen in Gaza untersuchen. Es geht um viel: die Glaubwürdigkeit der Armee, Gerechtigkeit für die Toten und darum, sinnloses Leid künftig besser zu verhindern

von Joshua Schultheis  15.04.2025

Buchenwald-Gedenken

»Nehmen wir doch bitte das Gift aus der Debatte!«

Nach dem Eklat um die abgesagte Rede Omri Boehms sieht sich Jens-Christian Wagner scharfer Kritik seitens des israelischen Botschafters ausgesetzt. Wie blickt der Gedenkstättenleiter auf die heftige Diskussion der vergangenen Tage? Ein Interview

von Michael Thaidigsmann  15.04.2025 Aktualisiert