Inmitten der ausländerfeindlichen und rassistischen Gewaltakte, die das wiedervereinigte Deutschland von Hoyerswerda bis Rostock und von Solingen bis Mölln erlebte, rief zu Beginn des Jahres 1993 die – mittlerweile nicht mehr bestehende – Wochenzeitung »Die Woche« dazu auf, Ignatz Bubis zum Bundespräsidenten zu wählen. Ein CDU- Bundestagsabgeordneter hatte den Anstoß gegeben. Bubis war nach dem Tod Heinz Galinskis 1992 zum Vorsitzenden des Zentralrats gewählt worden. Seine Wahl stieß auch innerhalb der jüdischen Gemeinschaft auf Widerstände.
Bubis galt manchen wegen seiner Immobiliengeschäfte im Frankfurter Westend als »Spekulant« und wurde als ein mögliches Vorbild für die Figur des »reichen Juden« in Rainer Werner Fassbinders umstrittenem Theaterstück Der Müll, die Stadt und der Tod gesehen. Als Frankfurter Gemeindevorsitzender hatte Bubis zusammen mit anderen Gemeindemitgliedern 1985 die Aufführung durch eine Bühnenbesetzung verhindert.
Beliebt Ein Spekulant und Bühnenbesetzer als Zentralratsvorsitzender und nun gar als Bundespräsident? Das ging manchen zu weit. Bubis entwaffnete jedoch seine Widersacher innerhalb kurzer Zeit und etablierte sich als ein äußerst beliebter und erfolgreicher Vertreter der deutsch-jüdischen Gemeinschaft. Er trat in unzähligen Fernseh-Talkshows auf, wo er eine neue Offenheit verkörperte, und scheute keine Einladung in eine auch noch so abgelegene Schulklasse.
Erst unter Bubis wurde das Amt des Zentralratsvorsitzenden, das nun zum Präsidentenamt wurde, von einer breiten Mehrheit der Deutschen wahrgenommen. Hierzu trugen gewiss auch die öffentlichen Debatten bei, die Bubis führte, am meisten wohl seine Auseinandersetzung mit Martin Walser über dessen umstrittene Rede bei der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels. Auch parteipolitisch war Bubis in der Öffentlichkeit aktiver als seine Vorgänger. Hatten Nachmann mit der CDU und Galinski mit der SPD sympathisiert, so war Bubis Mitglied im Landes- und Bundesvorstand der FDP und engagierte sich offen im Frankfurter Wahlkampf für die Liberalen.
Als Bundespräsident stand er jedoch nicht zur Verfügung. »Ein jüdischer Bundespräsident würde die Stimmung noch verschlimmern«, erklärte Bubis. Als ihn »Die Zeit« fragte, wen er selbst für das Amt des Bundespräsidenten am geeignetsten hielte, nannte er zwei Namen: Hans-Dietrich Genscher und Hans-Magnus Enzensberger. Für die ehemalige Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts und des Goethe-Instituts Jutta Limbach war Bubis dennoch »so eine Art inoffizieller Bundespräsident«.