1988 tat sich etwas in der DDR. Erich Honecker spürte, dass sein Staat ohne Hilfe aus dem Westen nicht weiter existieren könne. Vor allem das ostdeutsche Handelsbilanzdefizit gegenüber dem »kapitalistischen Ausland« musste verringert werden. Dafür mussten Brücken nach Washington gebaut werden. Helfen dabei sollten vor allem die Juden.
Die gerade mal rund 350 registrierten Gemeindemitglieder zwischen Dresden und Schwerin konnten hierbei allerdings wenig tun. Immerhin war bereits 1987 für sie ein amerikanischer Rabbiner, Isaac Neuman, eingeladen worden, um in Ost-Berlin zu amtieren. Zudem wurde der Wiederaufbau des als Kriegsruine belassenen Vordergebäudes der ehemaligen Synagoge in der Oranienburger Straße beschlossen und hierzu die Stiftung »Neue Synagoge Berlin –Centrum Judaicum« ins Leben gerufen.
gedenkfeier Im Oktober 1988 kam Edgar Bronfman, der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, nach Berlin und traf sich mit Erich Honecker und Heinz Galinski. Plötzlich betonte Honecker, der bisher immer daran festgehalten hatte, dass die Nazis im Westen und die Antifaschisten im Osten zu Hause seien, die DDR würde unter Umständen doch Entschädigungszahlungen in Betracht ziehen. Auch mit Israel könne man, wie manch andere Ostblockländer dies schon seit Beginn der 80er-Jahre getan hatten, bessere Beziehungen in Erwägung ziehen.
Der in Dresden aufgewachsene damalige israelische Innen- und Religionsminister Josef Burg folgte Bronfman einen Monat später, um an den erstmals staatlicherseits organisierten Gedenkfeiern zum Novemberpogrom 1938 teilzunehmen. Dem offiziellen Gedenken waren zahlreiche Bürgerinitiativen vorausgegangen, die auch einen Wandel »von unten« signalisiert hatten.
Skandal Während im Bonner Bundestag dessen Präsident Philipp Jenninger mit seiner Rede einen Skandal und letztlich seinen Rücktritt auslöste, fand in Ost-Berlin ein Festakt in der DDR-Volkskammer statt, bei dem Siegmund Rotstein als Vertreter der jüdischen Gemeinden der DDR eine Festrede hielt und der West-Berliner Gemeindevorsitzende Heinz Galinski prominent zwischen Erich Honecker und EgonKrenz platziert wurde. Niemand konnte damals ahnen, dass genau an diesem Gedenktag im folgenden Jahr die Mauer fallen würde.
Als Anfang 1989 eine Regierungsdelegation der DDR Israel besuchte, hielten ihre Vertreter weiterhin an der Doktrin fest, die in der DDR Regierenden seien selbst Opfer des Naziterrors gewesen, daher sehe man keine Veranlassung zu Entschädigungszahlungen. Erst unter der Regierung Modrow änderte sich 1990 die Haltung der DDR zu Israel und zur Verantwortung gegenüber der NS-Vergangenheit grundsätzlich. Michael Brenner