Jüdische Kulturtage gibt es heute allerorten. Man hört akademische Vorträge, sieht sich Theaterstücke an und tanzt zu Klezmermusik. Im Publikum sind manchmal auch ein paar Juden – für die sind die Jüdischen Kulturtage aber nicht gemacht.
Das war 1977, als die erste Jüdische Jugend- und Kulturtagung stattfand, ganz anders. Damals wurde erstmals unter der Ägide des Zentralrats heftig und kontrovers diskutiert – und zwar unter Juden. Eine von vielen als verkrustet angesehene jüdische Führungsschicht reagierte damit auf die Proteste der jungen Generation. Begonnen hatte alles mit einer vom Zentralrat 1976 eingesetzten Jugend- und Kulturkommission.
Im März 1977 kamen dann in Würzburg vor allem jüngere Gemeindemitglieder zusammen, um über »Die Zukunft unserer Gemeinden« zu sprechen. In Arbeitsgruppen zu Themen wie der Motivation der Jugend für das Judentum, der Zukunft des europäischen Judentums und der jüdischen Gemeinde als sozialem Zentrum kam es erstmals auf Bundesebene zu einem Dialog zwischen Gemeindeführungen und jungen Mitgliedern. Orthodoxe und Liberale waren ebenso vertreten wie Zionisten und Israelkritiker. Damals gab es neben dem Bundesverband Jüdischer Studenten noch den Bund Jüdischer Jugend, dessen Vertreter aktiv an der Durchführung dieser Tagungen beteiligt waren.
umbruch 1977 war ein Jahr des Umbruchs, nicht nur für die jüdische Jugend. In Israel kam die rechtsgerichtete Regierung Menachem Begins an die Macht, wenig später reiste der ägyptische Präsident Anwar al-Sadat nach Jerusalem. Zwischen Landshut und Mogadischu, Stammheim und Köln veränderte sich Deutschland in jenem Herbst.
Man begann, zunehmend über die Nazivergangenheit zu sprechen, die dann auch bei der nächsten Jugend- und Kulturtagung 1978 in Dortmund das Hauptthema war. An einer Podiumsdiskussion nahm dort übrigens der frisch gewählte Bundesvorsitzende der Jusos, Gerhard Schröder, teil. In einem Bericht der Baseler Jüdischen Rundschau war vom »tumultartigen Charakter« in der Diskussion um eine mögliche »Kollaboration« zwischen jüdischen Repräsentanten und alten Nazis die Rede.
Sechs weitere Jugend- und Kulturtagungen folgten bis 1984. Die Entwicklung der allgemeinen Gesellschaft widerspiegelnd, verloren diese ihre anfängliche politische Brisanz. Als ab 1990 das neue Forum des Jugendkongresses gewählt wurde, war das Element des politischen Diskurses zunehmend in den Hintergrund getreten. Gemeinsam mit neueren Foren wie Tarbut oder Limmud ist ihnen aber allen gemeinsam, dass sie die Notwendigkeit erkannt haben, Räume für den innerjüdische Dialog zu schaffen.