Rückblende

1974: »Jakob der Lügner« – Die DDR entdeckt die Schoa

Jurek Becker gehörte zu den wenigen jüdischen Kindern, die die Konzentrationslager der Nazis überlebten. Vermutlich 1937 in Lodz geboren (sein Vater machte ihn einige Jahre älter, um ihn vor der Ermordung zu beschützen), wurde er mit seiner Mutter aus dem Ghetto Lodz in die Lager Ravensbrück und Sachsenhausen deportiert. Die Mutter erlebte zwar die Befreiung noch mit, erholte sich aber nicht mehr von den Auszehrungen der letzten Kriegsmonate und starb, völlig unterernährt, kurz nach Kriegsende.

Der damals achtjährige Jurek begann mit seinem Vater, der Auschwitz überlebt hatte, ein neues Leben in Ost-Berlin. In dem beeindruckenden und später verfilmten Roman Bronsteins Kinder von 1986 beschrieb Becker das weiterbestehende Misstrauen seines Vaters und anderer jüdischer Schoa-Überlebender gegenüber der deutschen Gesellschaft.

Oscar-nominierung Beckers bekanntester Roman jedoch war sein Frühwerk Jakob der Lügner von 1969. Die Lüge des Protagonisten im Roman, er besitze ein Radio, aus dem er immer neue Erfolgsmeldungen der Roten Armee vermeldet, macht den Ghettobewohnern Hoffnung und hält sie davon ab, sich durch riskante Handlungen in Lebensgefahr zu begeben.

Am Ende werden Jakob und alle anderen Ghettobewohner jedoch von der Realität eingeholt und deportiert. Die Verfilmung dieses Romans 1974 brachte der DDR die einzige Oscar-Nominierung (für den besten fremdsprachigen Film) in ihrer Geschichte ein.

Das Thema der NS-Judenverfolgung konnte in der DDR auch nach dem Erfolg von Buch und Film jedoch nur beschränkt offen diskutiert werden. Zwar wurde in der Erziehung großer Wert auf die Betonung nationalsozialistischer (oder wie es im offiziellen Sprachgebrauch hieß: »faschistischer«) Verbrechen gelegt, doch wurden Juden in der Regel nicht als besondere Opfergruppe herausgestellt.

In diesem Sinne waren auch die jüdischen Opfer in den Konzentrationslagern als Deutsche, Polen, Griechen und so weiter ermordet worden. Als der in Dresden lebende jüdische Historiker Helmut Eschwege eine Dokumentation über die Entrechtung und Verfolgung der Juden veröffentlichen wollte, stieß er auf erhebliche Widerstände.

Jurek Becker erhielt zwar ein Jahr nach der Verfilmung den Nationalpreis der DDR II. Klasse zugesprochen, doch setzte er sich bald bei der SED-Führung in die Nesseln. 1976 gehörte er zu den Schriftstellern, die offen gegen die Ausweisung Wolf Biermanns protestierten, ein weiteres Jahr später reiste er selbst in die Bundesrepublik aus, wo er 1993, noch nicht 60-jährig, verstarb.

München

Bayern gibt NS-Raubkunst an Erben von Ernst Magnus zurück

Nach Jahrzehnten geht ein Renaissance-Gemälde an die Erben des jüdischen Bankiers. Warum die Entscheidung erst jetzt fiel und was das Bild mit NS-Verbrecher Hermann Göring zu tun hat

 12.12.2025

Deutschland-Reise

Israels Oberrabbiner besucht Bremen

Kalman Meir Ber trifft Bürgermeister Andreas Bovenschulte und die Präsidentin der Bremischen Bürgerschaft, Antje Grotheer (beide SPD)

 12.12.2025

Niedersachsen

Moscheen in Hannover mit »Israel«-Schriftzügen besprüht

Unbekannte haben »Israel«-Schriftzüge auf mehrere Moscheen in Hannover geschmiert. Niedersachsens Antisemitismus-Beauftragter und die jüdische Gemeinde reagieren entsetzt

 11.12.2025

Berlin

Erstmals Chanukka-Feier im Bundestag

Zur Feier werden unter anderem der Antisemitismusbeauftragte Felix Klein und Zentralrats-Geschäftsführer Daniel Botmann erwartet

 11.12.2025

Block-Prozess

Mutmaßlicher Entführer-Chef: Aussage gegen sicheres Geleit

Hat Christina Block den Auftrag erteilt, ihre Kinder aus Dänemark zu entführen? Der mutmaßliche Chef der Entführer äußert sich dazu als Zeuge vor Gericht

 11.12.2025

Brigitte Macrons Ausfall gegen Aktivistinnen entfacht eine landesweite Debatte.

Frankreich

First Lady an Abittans Seite – und gegen Feministinnen

Brigitte Macrons Ausfall gegen Feministinnen wirft ein Schlaglicht auf Frankreichs Umgang mit Protest, sexueller Gewalt und prominenten Beschuldigten.

von Nicole Dreyfus  11.12.2025

Parteien

Justiz prüft Äußerungen nach Neugründung von AfD-Jugend 

Nach einer Rede beim AfD-Jugendtreffen prüft die Staatsanwaltschaft Gießen mögliche Straftatbestände

von Janet Ben Hassin  10.12.2025

Debatte

Merz, Trump und die Kritik an der Migration

Deutschlands Bundeskanzler reagiert auf die Vorwürfe des US-Präsidenten

von Jörg Blank  10.12.2025

Debatte

Wie umgehen mit Xavier Naidoo?

Der Sänger kehrt auf die großen Bühnen zurück. Ausverkaufte Hallen treffen auf Antisemitismus-Vorfälle, anhängige Verfahren und eine umstrittene Entschuldigung - und auf die Frage, wie man heute dazu steht

von Stefanie Järkel, Jonas-Erik Schmidt  10.12.2025