Deutsche Dramatiker wagten sich erst spät an die Bühnenbearbeitung des Judenmords. Es war ein Schweizer, der die Thematik zumindest ansatzweise 1961 auf die Bühnen brachte. Max Frischs Drama Andorra entwickelte sich in den Jahren und Jahrzehnten danach zu einem der populärsten deutschsprachigen Bühnenstücke. Schon ein Jahr nach der Erstaufführung war es auf über 40 deutschen Bühnen zu sehen.
Andorra ist ein Lehrstück gegen Vorurteile, es propagiert Toleranz gegenüber den »Anderen«: Andri, der Protagonist des Stückes, wird von seinem Pflegevater als Jude ausgegeben und begegnet deswegen im Ort zahlreichen Vorurteilen. Ein kleines Problem gab es aber für diejenigen, die das Drama als Lehrstück über die Judenverfolgung betrachten wollten: Ein wirklicher Jude kam im ganzen Stück nicht vor. Der Judenmord war abstrahiert und zum Problem der gesamten Menschheit gemacht worden.
kreisler Frischs Andri war der Vorzeigejude par excellence: er wurde nur von seiner Umwelt dafür gehalten, war aber gar keiner. Denn meisten Lesern und Zuschauern fiel dies nicht weiter auf. Doch wer genau hinsah, konnte die Problematik des Dramas entdecken. So kritisierte Friedrich Torberg, dass sich Antisemitismus nicht dazu eigne, als Modell für jedes beliebige Vorurteil benutzt zu werden.
Der wie Torberg aus der amerikanischen Emigration nach Wien zurückgekehrte Kabarettist Georg Kreisler, der wohl scharfsinnigste deutschsprachige jüdische Humorist der Nachkriegsjahrzehnte, verfasste eine beißende Satire auf Frisch mit dem Titel Sodom und Andorra. Kreisler wies dort bereits früh auf die Gefahren des Philosemitismus hin. Sodom und Andorra mag nicht das künstlerisch Beste sein, das Kreisler je hervorgebracht hat. Aber sein Hörspiel bürstete die beginnende »Vergangenheitsbewältigung« sozusagen gegen den Strich. Die Kritiker allerdings verstanden das nicht und verrissen Kreislers Satire: Wie konnte man sich nur über Antisemitismuskritik lächerlich machen!
Nur wenig später karikierte mit Heinrich Böll ein bekannter deutscher Autor die oftmals opportunistischen Formen, die die neue christlich-jüdische Annäherung annahm. In dem Roman Ansichten eines Clowns (1963) des späteren Literaturnobelpreisträgers ist die Mutter des Protagonisten binnen weniger Jahre von der engagierten Nationalsozialistin zu einer Mitarbeiterin des »Zentralkomitees zur Versöhnung rassischer Gegensätze« mutiert. Im selben Jahr übrigens sorgte dann ein Stück, das sich tatsächlich mit der Schoa auseinandersetzte, für Furore: Rolf Hochhuths Stellvertreter, das die Rolle der katholischen Kirche und insbesondere des Papstes an den Naziverbrechen kritisch hinterfragte.