Rückblende

1952: Der Fall Auerbach

Unsere Serie über die Geschichte der Juden in Deutschland nach der Schoa: Folge 8

von Michael Brenner, philipp auerbach  26.11.2012 18:51 Uhr

Philipp Auerbach (1906–1952) Foto: picture-alliance / dpa

Unsere Serie über die Geschichte der Juden in Deutschland nach der Schoa: Folge 8

von Michael Brenner, philipp auerbach  26.11.2012 18:51 Uhr

Die Verhaftung Philipp Auerbachs war so spektakulär wie sein gesamtes Leben nach 1945. Er wurde am 10. März 1951 in seinem Wagen auf dem Weg von Bonn nach München auf der Autobahn gestoppt und von deutschen Polizisten festgenommen. Auerbach war zweifellos das bekannteste Gesicht der sich nach 1945 wieder rekonstituierenden jüdischen Gemeinschaft. Der Auschwitz- Überlebende hatte zunächst eine Stelle in der Düsseldorfer Landesregierung inne, bevor er im Januar 1946 bayerischer Staatskommissar für rassisch, religiös und politisch Verfolgte wurde.

Er war der erste Präsident des Landesverbands der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern, der amtierende Präsident des neuen Bayerischen Landesentschädigungsamtes und einer der Mitbegründer und Direktoriumsmitglieder des 1950 gegründeten Zentralrats der Juden in Deutschland. Vor allem aber war Auerbach die lautstärkste Stimme im Kampf gegen weiterbestehenden und wiederauflebenden Antisemitismus. Im »Spiegel« und anderen Zeitschriften war er dafür vielen Angriffen ausgesetzt.

gegner Auerbachs unbürokratische Amtsführung und sein eigenmächtiger Amtsstil machten es seinen Gegnern – vor allem dem bayerischen CSU-Justizminister Josef Müller (»Ochsensepp«) und den amerikanischen Militärbehörden – leicht, ihn ins Visier zu nehmen. Zunächst von den Amerikanern gefördert, war Auerbach diesen nun ein Dorn im Auge. Die Tatsache, dass er sich gegen die jüdische Nachfolgeorganisatione IRSO für einen Verbleib des Vorkriegseigentums der jüdischen Gemeinden in Deutschland einsetzte und deren Politik der Liquidation jüdischen Lebens auf deutschem Boden vehement entgegentrat, verschärfte den Konflikt weiter.

In der Anklage wurde Auerbach unter anderem Dokumentenfälschung, Erschleichung des Doktortitels, Kontakte zur KPD und Veruntreuung von Geldern vorgeworfen. Am 14. August 1952 verurteilten fünf Richter, von denen die meisten eine NS-Vergangenheit hatten, Philipp Auerbach zu einer Haftstrafe von zweieinhalb Jahren und einer Geldbuße von 2700 D-Mark verurteilt. Zwei Tage nach dem Richterspruch setzte der bekannteste Repräsentant der deutsch-jüdischen Gemeinschaft, der bis zuletzt seine Unschuld beteuert hatte, seinem Leben mit einer Überdosis Schlaftabletten ein Ende.

schlagstöcke Philipp Auerbachs Begräbnis wurde zu einer Solidaritätsaktion Tausender jüdischer DPs, die ihn als eine Art Robin Hood der unbürokratischen »Wiedergutmachung« verehrten und seinen mit der Fahne des Staates Israel bedeckten Sarg auf den Jüdischen Friedhof in München führten. Die Anklagereden am Rande der Beerdigung richteten sich gegen die Richter und die bayerische Regierung. Um die geladene Stimmung unter Kontrolle zu bringen, setzte die bayerische Polizei Schlagstöcke und Wasserwerfer ein.

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