Österreich

»16 Prozent haben keine Scham«

Doron Rabinovici Foto: dpa

Herr Rabinovici, bei den österreichischen Präsidentenwahlen vergangenen Sonntag hat die Kandidatin der rechtsextremen FPÖ, Barbara Rosenkranz, mit 15,6 Prozent der Stimmen schlechter abgeschnitten als allgemein erwartet. Eine gute Nachricht?
Nein, keine gute Nachricht. Was schon stimmt: Es hätte leider schlimmer kommen können. Frau Rosenkranz hat weniger als der Parteiführer H. C. Strache auf reinen Rassismus gesetzt, sondern kam relativ altbacken daher. Sie hat sich mit ihren Äußerungen zum Nationalsozialismus zu extrem positioniert, war zu explizit mit dem Thema Auschwitz in Berührung gekommen. Deshalb musste sie zurückrudern.

Also gibt es selbst für die österreichische extreme Rechte noch Schamgrenzen?
Ja, aber für fast 16 Prozent eben nicht. Und bei den unter 30-Jährigen hat Frau Rosenkranz weit mehr als das bekommen.

Wie stark ist die österreichische Zivilgesellschaft nach rechts gerückt?
Was man sehen muss, ist, dass bei dieser Wahl die bürgerliche ÖVP bei der Entscheidung zwischen dem Amtsinhaber Fischer, einem Demokraten, und einer Rechtsextremen, Frau Rosenkranz, die Parole ausgegeben hat, sich neutral zu verhalten und ungültig zu stimmen. Die Schwesterpartei der CDU hat keinen klaren Unterschied machen wollen zwischen einem demokratischen Kandidaten und Leuten, die man nicht eindeutig auf der Seite der Demokratie verorten kann. Ein Revisionismus, der zwischen Nazi und Sozi nicht zu unterscheiden weiß, ist in die Mitte der österreichischen Gesellschaft gerückt. Das ist das Problem.

Wie macht sich das im Alltag bemerkbar?
Dadurch, dass nicht klar gegengesteuert wird bei rassistischer Hetze. Es macht sich bemerkbar dadurch, dass beide regierenden Parteien, ÖVP und SPÖ, einen Kotau vor der Kronenzeitung machen, dem Boulevardblatt, das Barbara Rosenkranz unterstützt hat. Diese Zeitung ist so stark, wie es in der westlichen Welt einmalig ist.

Äußert sich die Rechtstendenz auch in wachsendem Antisemitismus?
Hetze gegen Juden ist in Österreich normalerweise kein Thema. Es gab im Parlamentswahlkampf voriges Jahr Äußerungen von FPÖ-Politikern, die beunruhigend waren. In einer Annonce in der Kronenzeitung wurde gegen einen EU-Beitritt der Türkei und Israels zu Felde gezogen. Klar, auf welche Ressentiments das abzielte. Aber mit so etwas werden mehr Wähler verschreckt als dazugewonnen, weil Antisemitismus hier noch immer ein Tabu ist.

Mit dem österreichischen Schriftsteller sprach Michael Wuliger.

Debatte

Nach Eklat in Darmstadt: Felix Klein vermisst hassfreien Raum für palästinensisches Leid

Antisemitismusbeauftragter: Verständnis für palästinensisches Leid wird vereinnahmt

 20.12.2024

Meinung

Der AfD-Claqueur

Elon Musk hat sich als Unterstützer der AfD geoutet. Das sollte seinen Anhängern in Deutschland eine Warnung sein

von Michael Thaidigsmann  20.12.2024

Meinung

Der PEN Berlin und die Feinde Israels

In der Schriftstellervereinigung konnte eine Resolution BDS-naher Autoren gerade noch abgewendet werden. Alles gut also? Nicht wirklich

von Lorenz S. Beckhardt  20.12.2024

Hessen

Darmstadt: Jüdische Gemeinde stellt Strafanzeige gegen evangelische Gemeinde

Empörung wegen antisemitischer Symbole auf Weihnachtsmarkt

 19.12.2024 Aktualisiert

Debatte

Darmstadt: Jetzt meldet sich der Pfarrer der Michaelsgemeinde zu Wort - und spricht Klartext

Evangelische Gemeinde erwägt Anzeige wegen antisemitischer Symbole auf Weihnachtsmarkt

 19.12.2024

Hessen

Nach Judenhass-Eklat auf »Anti-Kolonialen Friedens-Weihnachtsmarkt«: Landeskirche untersagt Pfarrer Amtsausübung

Nach dem Eklat um israelfeindliche Symbole auf einem Weihnachtsmarkt einer evangelischen Kirchengemeinde in Darmstadt greift die Landeskirche nun auch zu dienstrechtlichen Maßnahmen

 19.12.2024

Roman Schwarzman

Holocaust-Überlebender aus Ukraine hält am 27. Januar Rede beim zentralen Gedenken im Bundestag

Im kommenden Jahr jährt sich die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz zum 80. Mal. Zur Gedenkstunde im Bundestag wird ein Holocaust-Überlebender aus Odessa erwartet

 19.12.2024

Nahost

Putin: Israel ist wichtigster Nutznießer der Lage in Syrien

Seit 2015 hielt maßgeblich Russlands Militär den syrischen Machthaber Baschar al-Assad an der Macht. Nun antwortet Kremlchef Putin auf die Frage, ob dessen Sturz für Moskau eine Niederlage ist

 19.12.2024

Interview

»Wir werden weiter Rückgrat zeigen«

Pfarrer Ralf Sedlak über Drohungen gegen seine Person, antisemitische Proteste und Solidarität mit Israel

von Philipp Peyman Engel  19.12.2024