Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die Wohlfahrtsverbände gewürdigt. »In dieser Zeit der Krisen und Umbrüche brauchen wir die Stimme der Wohlfahrtsverbände, und wir brauchen sie vor allen Dingen als Stimme der Mitmenschlichkeit und Solidarität«, sagte Steinmeier beim Festakt zu 100 Jahren Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege am Dienstag in Berlin. So groß die derzeitigen Herausforderungen auch seien, »wir dürfen sie nicht auf Kosten der Schwachen und Verwundbarsten bewältigen«.
Im Dezember 1924 fanden erste dokumentierte Sitzungen zur Gründung der Deutschen Liga, dem Vorläufer der heutigen Bundesarbeitsgemeinschaft, mit Sitz in Berlin statt. Neben Caritas und Diakonie gehören die Arbeiterwohlfahrt, der Paritätische Wohlfahrtsverband sowie das Deutsche Rote Kreuz und die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland der Arbeitsgemeinschaft an.
Steinmeier betonte, mit ihrer Arbeit und ihrer Solidarität stärkten die Wohlfahrtsverbände auch die Demokratie. Gemeinsames Ziel sei, dass jeder einzelne unabhängig von Geschlecht, Alter, Herkunft oder Religion ein würdevolles und selbstbestimmtes Leben in der Mitte der Gesellschaft führen könne. Er äußerte sich auch zur Einführung eines sozialen Pflichtjahrs und warb dafür, ein solches Jahr für alle Menschen verpflichtend zu machen.
Würdevolles und selbstbestimmtes Leben
Der Bundespräsident hatte zuvor eine Sucht- und Schuldnerberatung der Caritas in Berlin-Mitte besucht und dort mit Mitarbeitern und Betroffenen gesprochen. Sein Eindruck: Die Menschen dort fühlten sich willkommen und hätten einen Schutzraum. Viele hätten durch die Hilfe der Einrichtung wieder zurück in ein normales Leben gefunden, so Steinmeier.
Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) sagte, mit unzähligen Angeboten und Initiativen, von Familienhilfe über Flüchtlingsintegration bis zur Telefonseelsorge, leisteten die Wohlfahrtsverbände unverzichtbare Arbeit für ein besseres Miteinander. »Diese Erfolgsgeschichte aus Mut, Wandel und Engagement ist nicht nur ein Grund zum Feiern, sondern auch eine Verpflichtung.«
Der Präsident der Arbeitsgemeinschaft, Michael Groß, betonte, die sechs Spitzenverbände seien auch ein wesentlicher Motor für Innovation. Zugleich machte er auf eine schwierige finanzielle Lage der Verbände aufmerksam. Die gegenwärtige unsichere Haushaltslage bringe finanzielle Unsicherheiten mit sich, die wichtige Programme gefährdeten und einen optimistischen Ausblick auf die Zukunft erschwerten.
Familienhilfe und Flüchtlingsintegration
»100 Jahre Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtpflege unterstreichen die Unerlässlichkeit gemeinnütziger sozialer Dienste und Einrichtungen«, sagte Abraham Lehrer, Präsident der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland. »Die ZWST als sozialer Dachverband der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland hatte prägenden Einfluss auf die Entwicklung der modernen Wohlfahrtspflege und trägt heute gemeinsam mit den anderen Mitgliedsverbänden der BAGFW entscheidend zur Lösung sozialer und gesellschaftlicher Herausforderungen bei.«
Ohne die Freie Wohlfahrtspflege hätten die jüngsten Krisen wie die Corona-Pandemie oder die Aufnahme Geflüchteter aus der Ukraine in dieser Form nicht bewältigt werden können. In Zeiten wachsender Unsicherheit, so Lehrer weiter, brauche es umso mehr resiliente und krisensichere Strukturen, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu festigen.