Bahlsen, BMW, Siemens, Salamander – es gibt kein deutsches Unternehmen, das während der NS-Diktatur auf Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter verzichtet hätte.
Jede Branche war vertreten – wenn die jeweiligen Produkte als kriegswichtig galten. Das konnten auch Kekse für die Wehrmacht sein. Mit guten Kontakten zur NS-Elite ließ sich da einiges bewirken.
GRUNDSTOCK Ohne Zwangsarbeit hätte der Zweite Weltkrieg nicht so lange geführt werden können, wäre die Rüstungsproduktion, aber auch die Versorgung der deutschen Bevölkerung zusammengebrochen.
Für deutsche Unternehmen bot die Zwangsarbeit zum einen die Chance, den Betrieb aufrechtzuerhalten; sie konnten aber auch schon für die Zeit »danach« planen und Materialien und Maschinen sichern.
Das »Wirtschaftswunder« basierte auch auf der Ausbeutung von rund 26 Millionen Männern, Frauen und Kindern
Der millionenfache Zwangsarbeitseinsatz im Deutschen Reich und in den besetzten Gebieten legte den Grundstock für den Wiederaufbau nach 1945, trotz Zerstörung und Demontagen.
Das »Wirtschaftswunder« basierte auch auf der Ausbeutung von rund 26 Millionen Männern, Frauen und Kindern, die unter erbärmlichen Bedingungen zur Arbeit gezwungen wurden. Mindestens 2,7 Millionen starben, die Überlebenden hatten zeitlebens an den Folgen zu leiden. Unrechtsbewusstsein? Fehlanzeige!
GESELLSCHAFTSVERBRECHEN Die Anerkennung dieses Gesellschaftsverbrechens als NS-Unrecht durch die deutsche Regierung dauerte 55 Jahre. Die Beteiligung deutscher Unternehmen am Entschädigungsfonds musste mit massivem Druck und durch Sammelklagen durchgesetzt werden.
Erst die Furcht vor wegbrechenden Absatzmärkten wirkte. Rechtssicherheit war den verhandelnden CEOs wichtiger als eine »Wiedergutmachung«. Reue? Wieder Fehlanzeige.
Neuere Initiativen zeigen, dass es in einigen Unternehmen ein Umdenken gibt. Die Bahlsens, Quandts und Reimanns lassen ihre Firmengeschichte aufarbeiten, unterstützen Überlebende oder fördern ausgewählte Projekte im Bereich Bildung und Wissenschaft.
Es wäre aber darüber hinaus wichtig, dass Unternehmen in ihren Programmen und im Rahmen einer Stiftungsprofessur erforschen, was geschieht, wenn ökonomische Interessen über die Würde einzelner Menschen gestellt werden – in der Vergangenheit und in der Gegenwart.
Die Autorin ist Leiterin des Dokumentationszentrums NS-Zwangsarbeit.