Gut gemeint ist nicht immer gut. Zwar ist es durchaus aller Ehren wert, dass die US-Regierung eine »Executive Order« gegen Antisemitismus erlassen hat, stellen doch die Bürgerrechtsgesetze von 1964 Diskriminierungen an Bildungsanstalten aufgrund von »Rasse, Hautfarbe oder nationaler Herkunft« als Vergehen dar, wegen derer Washington staatliche Fördermittel streichen kann.
Das Weiße Haus will die an US-Universitäten verbreitete BDS-Bewegung dadurch bekämpfen, dass es das Judentum als »Race« beziehungsweise »Nation« definiert. Doch letztlich wird dies das Gegenteil bewirken: die Bekräftigung und Bestätigung antisemitischer Vorurteile.
HALACHA In dem Buch Jews and Words plädieren Amos Oz und Fania Oz-Salzberger dafür, das Judentum als »Kultur« zu verstehen. Sie gehen die üblichen Definitionen durch: »Volk«, »Religion«, »Konfession« und »Schicksalsgemeinschaft«, um zu dem Schluss zu kommen, dass es die Teilhabe an bestimmten, in sich durchaus verschiedenen Traditionen symbolischer Art ist, die Juden zu Juden macht. Gemäß der Halacha ist Jüdin oder Jude, wer von einer jüdischen Mutter geboren wurde oder zum Judentum konvertiert ist.
Dass aber das Judentum eine »Nation« oder gar eine »Race« sei, trifft auch dann nicht zu, wenn man sich das nordamerikanische Englisch vergegenwärtigt: Unter »Race« wird dort vor allem die Hautfarbe verstanden. Sie zu schmähen, ist ebenso untersagt, wie es untersagt ist, Menschen ob ihrer Geschlechtszugehörigkeit oder ihrer sozialen Stellung verächtlich zu machen.
Dass Juden keine identische Hautfarbe aufweisen, dürfte spätestens seit den Falaschmura bekannt sein.
Dass Juden keine identische Hautfarbe aufweisen, dürfte spätestens seit den Falaschmura bekannt sein. Aber sind sie wenigstens eine »Nation«? In Nordamerika gelten die Ureinwohner als »First Nations«. Aber auch die großen jüdischen Organisationen in den USA sprechen nicht von »Nation«: Der American Jewish Congress etwa setzt sich für »Israel and the Jewish people« ein – »Volk«, nicht »Nation«.
Vor diesem Hintergrund erweist sich die politische Begriffsbestimmung als – man entschuldige den drastischen Ausdruck – Rohrkrepierer. Wird sie doch Antisemiten aller Art darin bekräftigen, nicht mehr nur zu denken, was sie schon immer gedacht haben.
Der Autor ist Erziehungswissenschaftler und Publizist in Berlin.