Karl Pfeifer

Wie lange will die EU Orbán noch tolerieren?

Karl Pfeifer

Karl Pfeifer

Wie lange will die EU Orbán noch tolerieren?

Der Wahlsieg verschafft Ungarns Ministerpräsident erneut eine Mehrheit, die es ihm ermöglicht, die Verfassung und wichtige Gesetze umzuschreiben

von Karl Pfeifer  07.04.2022 08:23 Uhr

Viktor Orbán und seine Leute haben der Opposition vor der Wahl in Ungarn mehr als eine Steilvorlage geliefert. Man kennt die Geschichte von dem Installateur, der »zufällig« der Nachbar von Orbán ist und aus dem einer der reichsten Ungarn wurde. Man hat gesehen, wie unterwürfig Orbán sich gegenüber Putin benommen hat.

Ungarn ist mit einer Wirtschaftskrise konfrontiert und hat weltweit pro Kopf mit die meisten Covid-Toten. Doch nichts davon hat die Opposition wirklich genutzt. Freilich hatte sie es schwer in einer illiberalen Demokratie, in der die staatlichen Medien ganz und die privaten zu 90 Prozent Orbán nahestehen und er mit Steuermitteln seine Kampagne finanzierte.

phrasen Der Sieg vom Sonntag verschafft Orbán nun erneut eine Mehrheit, die es ihm ermöglicht, die Verfassung und wichtige Gesetze umzuschreiben. Der Mann ist ein Meister im Dreschen nationalistischer Phrasen, er redet mit mehreren Zungen.

Ungarn ist zwar bei internationalen Abstimmungen an der Seite Israels. Gleichzeitig führte Orbán im Inland jedoch jahrelang eine antisemitische Kampagne gegen George Soros. Ihm gelang es, die »Spezialoperation« seines Freundes Wladimir Putin zu nutzen, um sich als Garant der militärischen und wirtschaftlichen Sicherheit Ungarns auszugeben.

Orbán konnte sich lange auf seine enge Freundschaft mit Polen, Tschechien, Slowakei und Rumänien berufen. Wegen seiner Nähe zu Russland trauen ihm diese Staaten nicht mehr.

Putin hat Orbán zu seinem Sieg gratuliert und die Hoffnung ausgedrückt, dass »trotz der schwierigen internationalen Lage«, sprich: der russischen Aggression gegen die Ukraine, die bilaterale Partnerschaft weitergehen werde.

Orbán konnte sich lange auf seine enge Freundschaft mit Polen, Tschechien, Slowakei und Rumänien berufen. Wegen seiner Nähe zu Russland trauen ihm diese Staaten nicht mehr. Trotzdem gibt er sich weiter kämpferisch gegen »Brüssel« und sieht Soros und Wolodymyr Selenskyj als seine Gegner. Die Frage ist, ob die EU – wie früher – Ungarn mit Milliarden subventionieren wird und wie lange sie einen autoritären Staat, der ihre Grundregeln missachtet, tolerieren will und kann.

Der Autor ist Journalist in Wien.

Kommentar

Erdoğans Vernichtungswahn ist keine bloße Rhetorik

Der türkische Präsident hat nicht nur zur Auslöschung Israels aufgerufen, um von den Protesten gegen ihn abzulenken. Deutschland muss seine Türkeipolitik überdenken

von Eren Güvercin  01.04.2025

Essay

Warum ich stolz auf Israel bin

Das Land ist trotz der Massaker vom 7. Oktober 2023 nicht zusammengebrochen, sondern widerstandsfähig, hoffnungsvoll und vereint geblieben

von Alon David  01.04.2025

Meinung

Festtag für Judenhasser

Eine Schande für die Demokratie: Warum die Al-Quds-Märsche endlich verboten werden müssen

von Uwe Becker  01.04.2025

Meinung

Marine Le Pen: Zu Recht nicht mehr wählbar

Der Ausschluss der Rechtspopulistin von den Wahlen ist folgerichtig und keineswegs politisch motiviert

von Michael Thaidigsmann  31.03.2025

Essay

Dekolonisiert die Dekolonialisierung!

Warum die postkoloniale Theorie jüdische Perspektiven anerkennen muss

von Lisa Bortels  31.03.2025

Ron Dekel

Eine verschleppte Chance

Das Projekt eines deutsch-israelischen Jugendwerks versinkt in bürokratischen Debatten und ist damit ein Sinnbild für Deutschlands Trägheit im Kampf gegen Antisemitismus und Israelhass

von Ron Dekel  27.03.2025

Meinung

Ihr wart nicht da!

Die Berichterstattung deutscher Medien über den Konflikt zwischen Israel und der Hisbollah ist einseitig und stellt die Terrororganisation Hisbollah mit dem Staat Israel auf eine Stufe

von Sarah Maria Sander  26.03.2025

Meinung

Itamar Ben-Gvir und die rote Ampel

Warum die Rückkehr des Rechtsextremisten in Israels Regierung auch uns Juden in der Diaspora zutiefst beunruhigen muss

von Ayala Goldmann  25.03.2025 Aktualisiert

Ayala Goldmann

Benjamin Netanjahu und der »Deep State«

Israels Premier wird bei der hochumstrittenen »Justizreform« keine Kompromisse machen, die seine Macht gefährden

von Ayala Goldmann  25.03.2025