Nachdem jüdisches Leben in den Reden deutscher Politikerinnen und Politiker lange etwas blumig »gedieh« oder »erblühte«, änderte sich im vergangenen Jahr die Realität – und die Rhetorik. Statt zu wachsen, muss es nun zuallererst sicher werden. Auch im Titel der umstrittenen Antisemitismus-Resolution des Deutschen Bundestags heißt es »Jüdisches Leben in Deutschland schützen« – erst dann folgt »bewahren und stärken«.
Öffentlich diskutiert wurde dabei aber meist etwas anderes: Was ist schon Antisemitismus, was noch Kritik? Was Meinung, was Hass? Schnell kommt man ab von dem, was die meisten Jüdinnen und Juden seit dem 7. Oktober 2023 ganz konkret befürchten: In einer Umfrage des Zentralrats der Juden benannten sie am häufigsten ihre Angst vor Anfeindungen, Übergriffen und Anschlägen.
Manche gaben an, sie trauten sich deshalb nicht mehr, in die Gemeinden zu gehen. Es ist die reale Möglichkeit der offenen Gewalt, die für Juden in Deutschland so unerträglich geworden ist. Nur, wie kann man sie davor beschützen? Warum scheinen diese Orte so unsicher? Darüber wird erstaunlich wenig gesprochen.
Wer nur von außen an seiner örtlichen Synagoge vorbeispaziert, kann schnell das Gefühl bekommen, hier sei alles getan.
Wer nur von außen an seiner örtlichen Synagoge vorbeispaziert, kann schnell das Gefühl bekommen, hier sei alles getan: Vielleicht steht ein Uniformierter vor dem hohen Zaun, Sicherheitskameras lugen auf den Bordstein. Dass der koschere Laden daneben nicht bewacht ist, fällt vielen gar nicht auf. Neulich besuchte ich eine Gemeindevorsteherin, die einen ganzen Stapel mit Anzeigen von antisemitischen Vorfällen lagerte. Von den Tätern wurde kein Einziger gefasst.
Manche jüdische Einrichtungen setzen daher neben dem Polizeischutz auf eigenes Sicherheitspersonal. Am Ende sind es auch diese Menschen, die jüdisches Leben schützen, mit dem eigenen Körper. Es sollte mehr von ihnen geben, und sie sollten besser bezahlt werden. Damit sich in diesem neuen Jahr alle, die mögen, wieder trauen, in die Synagogen zu gehen. Und dann können wir über alles andere reden.
malburg@juedische-allgemeine.de