Was haben der Kölner Dom und die Altstadt von Lübeck mit dem Historisch-Technischen Museum in Peenemünde, das an die Geschichte der deutschen Raketentechnik erinnert, gemeinsam? Bisher noch nichts. Geht es aber nach dem Willen von Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD), soll auch die Geburtsstätte der »Vergeltungswaffe 1« und »Vergeltungswaffe 2« zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt werden.
»Peenemünde steht ja auf der einen Seite für technologische Pionierleistungen von epochaler Bedeutung, ist aber auch untrennbar mit der menschenverachtenden Ideologie des NS-Systems verbunden«, lautet ihre Begründung. So würde eine Lücke geschlossen, da es bislang keinen Ort auf der Liste der Kulturdenkmäler gebe, der sich explizit mit Kriegsursachen und der Raumfahrt beschäftigt.
MYTHOS Das alles ist gleich in mehrfacher Hinsicht problematisch. Zum einen bedient die Ministerpräsidentin damit den alten Mythos von Peenemünde als »Wiege der Raumfahrt«. Zwar erreichte eine 1942 an der Ostseeküste abgeschossene Rakete in der Tat erstmals den Weltraum – doch stand eine Reise zu den Sternen gewiss nicht auf der Agenda der Nazi-Wissenschaftler. Ihr Ziel war es, Massenvernichtungswaffen zu entwickeln, die möglichst viele Menschen ins Jenseits und nicht ins All transportieren sollten. Kurzum, Peenemünde ist kein deutsches Cape Canaveral.
Vielleicht sollte man einmal die Nachfahren der Opfer fragen, was sie von der Idee halten.
Zum anderen kamen beim Bau von Peenemünde sowie bei der Produktion von »V1« und »V2« Zehntausende Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge ums Leben, Stichwort »Vernichtung durch Arbeit«. Selbst wenn Schwesig auch auf deren Schicksal aufmerksam machen will, hat dies einen merkwürdigen Beigeschmack.
Es klingt, als ob ihr Tod nicht ganz so sinnlos gewesen sei, weil am Ende ja die »technologische Pionierleistung« steht. Vielleicht sollte man einmal die Nachfahren der Opfer fragen, was sie von der Idee halten, schlug Günther Jikeli, Herausgeber der Studie Raketen und Zwangsarbeit in Peenemünde und Kritiker des Ganzen, in einem Brief an seine Parteikollegin Schwesig vor. Adressen könne er gerne zur Verfügung stellen.
Der Autor ist Historiker und Journalist in Berlin.