Was ist nur aus dem Land meiner Kindheit geworden? Das heutige Belarus war in der Geschichte schon mehrmals Durchmarschgebiet für die Armeen größenwahnsinniger Herrscher, etwa 1812, als Napoleon seine Truppen nach Russland schickte. Die brutale Besetzung durch die deutsche Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg ist bis heute in traumatischer Erinnerung wohl jedes Belarussen geblieben.
Spätestens seit 1945 galt »Bloß kein Krieg« als inoffizielles Motto der Menschen in Belarus. Sie gelten als ruhig und duldsam, und sie bevölkern Landschaften voller Seen und Wälder. Doch seit einiger Zeit rollt über diese Landschaften schweres russisches Kriegsgerät.
Lukaschenko weiß genau, welches Schicksal ihn erwartet, wenn er sich Moskaus Wünschen widersetzen sollte.
Alexander Lukaschenko hat das seit bald 28 Jahren von ihm diktatorisch beherrschte Belarus dem großen östlichen Nachbarn Russland als Aufmarschgebiet zur Verfügung gestellt. Die Ukraine wurde und wird auch vom belarussischen Staatsgebiet aus angegriffen, russische Raketen flogen auch von Belarus aus gen Süden.
Dabei versuchte sich Lukaschenko im ersten Ukraine-Krieg 2014/15 noch als Vermittler und lud die Konfliktparteien gemeinsam mit europäischen Politikern nach Minsk ein. Lange weigerte er sich, die Annexion der Krim anzuerkennen.
Doch seit der Präsidentenwahl 2020, die Lukaschenkos Herrschaft ernsthaft gefährdete, und der anschließenden gewaltsamen Unterdrückung aller oppositionellen Proteste und Aktivitäten ist er mehr denn je auf Wladimir Putins Hilfe angewiesen. Lukaschenko ist ein Herrscher von Putins Gnaden.
Und er weiß genau, welches Schicksal ihn erwartet, wenn er sich Moskaus Wünschen widersetzen sollte. Also erkennt er die Krim-Annexion an und lässt Russlands Invasionsarmee ins Land, um seine persönliche Macht zu erhalten. Diesen Schritt können neuerliche Vermittlungsversuche nicht wiedergutmachen. Es beschämt mich zutiefst, dass das Land, in dem ich die ersten 13 Jahre meines Lebens verbrachte, sich wegen eines rückgratlosen Diktators an die Seite des Aggressors aus dem Kreml gestellt hat.