Einen »Tag der Stille« gab es im März auf der indonesischen Urlauberinsel Bali. Damit das neue hinduistische Jahr ruhig beginnt, mussten Einheimische wie Touristen 24 Stunden lang ohne mobiles Internet auf dem Handy auskommen. Auch der Flugverkehr ruhte.
Wünschen wir uns nicht auch ab und zu Ruhe und etwas Entspannung? Jeder von uns kennt Tage, die einen nicht zur Ruhe kommen lassen: Das Telefon klingelt unentwegt, und die Flut der E-Mails scheint nicht abreißen zu wollen. Dabei benötigt der Mensch Ruhe. Ja, wir leben in Zeiten der inneren Stille regelrecht auf. Aus ihr schöpfen wir Kraft, Ideen, und hier finden wir auch Lösungen für Probleme.
Eigentlich eine komische Vorstellung:
sich selbst dazu zwingen, mal einen
Tag der Ruhe zu haben.
TRADITION In der jüdischen Tradition kennen wir einige solcher Tage, am bekanntesten sind Schabbat und Jom Kippur. Da wird zwar nicht das Telefonnetz abgestellt, schließlich könnte es ja mal einen Notfall geben. Aber stattdessen wird viel Wert auf Selbstdisziplin und Eigenmotivation gelegt. Eigentlich ja eine komische Vorstellung: sich selbst regelrecht dazu zu zwingen, mal einen Tag der Ruhe und Entspannung zu haben.
Leider kennen wir Menschen oft keine Grenzen: oft nicht gegenüber anderen, oft auch nicht uns selbst gegenüber. Da ist es nicht verwunderlich, dass Gott in Seiner unendlichen Weisheit uns solche Tage verschrieben hat, mit dem Schabbat sogar einen wöchentlichen Ruhetag.
Klar, nicht jeder hält ihn ein. Unsere Arbeit kennt oft kein Ende, doch: Wir selbst sind endlich; wir erkennen es meist nur zu spät. Darum sollten wir uns diese Selbstdisziplin und die Emanzipation eines freien Tages nie nehmen lassen. Sonst werden wir die Lektion am Berg Sinai, mit den vielen Wundern und dem Geschenk Gottes an uns, niemals verstehen. Was auf dem Spiel steht? Nicht weniger als unsere Freiheit. Denn der pausenlos arbeitende Mensch kennt so etwas wie Freiheit nicht. Für ihn gilt nur sein Werk, das er geschaffen hat.
Darum sind die Lektionen und Weisungen Gottes für uns so wichtig, bewahren sie uns doch vor unserem Egoismus und dem Drang, anderen zu schaden.
Der Autor ist Gemeinderabbiner in Berlin.