Philipp Peyman Engel

Warum wir nicht mit der AfD sprechen

Mit Politikern, die den Holocaust als »Vogelschiss der Geschichte« und das Schoamahnmal in Berlin als »Schande« bezeichnen, gibt es nichts zu bereden

von Philipp Peyman Engel  12.09.2019 12:14 Uhr

Philipp Peyman Engel Foto: Marco Limberg

Mit Politikern, die den Holocaust als »Vogelschiss der Geschichte« und das Schoamahnmal in Berlin als »Schande« bezeichnen, gibt es nichts zu bereden

von Philipp Peyman Engel  12.09.2019 12:14 Uhr

Zu den großen Vorzügen von uns Journalisten gehört es, dass man sich seine Interviewpartner aussuchen kann: Künstler, Staatschefs oder ganz normale Gemeindemitglieder. Die Erfahrung lehrt, dass fast jeder Mensch auf seine ganz eigene Art interessant ist und etwas zu erzählen hat.

Zu den großen Herausforderungen als Journalist dagegen gehört es, gelegentlich auch Anfragen von Menschen zu erhalten, die gerne einmal interviewt werden wollen, mit denen man aber keine 30 Sekunden alleine im Aufzug fahren will. In diese Kategorie fallen seit einigen Jahren vermehrt Politiker der AfD.

ANSCHEIN Nicht wenige Vertreter dieser Partei fühlen sich von der »Jüdischen Allgemeinen« unfair behandelt. Keiner setze sich so stark für die jüdische Gemeinschaft ein, wie sie es tun, betonen die Rechtspopulisten immer wieder. Keiner benenne den muslimischen Antisemitismus so schonungslos wie sie.

Besonderen Eindruck hinterließ in unserer Redaktion vor einiger Zeit der Anruf eines AfD-Spitzenpolitikers, der sich gerade am Toten Meer aufhielt. Ob wir ihm nicht Fragen zu seinem guten Verhältnis zu Juden stellen wollten, fragte er.

Wir sprechen nicht mit Politikern einer Partei, die vom Ortsverband bis hin zum Bundestag mit Rechtsradikalen gespickt ist.

Nein, wollten wir nicht. Um es ganz klar zu sagen: Wir sprechen nicht mit Politikern einer Partei, die vom Ortsverband über die Landesparlamente bis hin zum Bundestag mit Rechtsradikalen gespickt ist, auch wenn sie noch so sehr mit Tweedjackett oder Dreiteiler den Anschein der »Bürgerlichkeit« zu erwecken sucht.

NACHLÄSSIG Zugegeben: Ein hart geführtes und gut vorbereitetes Streitgespräch mit einem AfD-Politiker abseits von jüdischen Themen wäre spannend – und angesichts vieler mitunter eher nachlässig geführter Gespräche, gerade nach den Wahlen in Brandenburg und Sachsen – auch notwendig. Denn bei Fragen des Klimaschutzes, der Digitalisierung, Bildung und Kulturpolitik steht die AfD komplett entblößt da.

Doch auch diese Gespräche möchten wir als jüdische Zeitung, mit vielen Lesern und Autoren, deren Familienangehörige in der Schoa ermordet wurden, nicht führen. Es gibt schlicht Sachen, die gehören sich nicht. Wir wollen Rechtsradikalen keine Plattform geben und sie somit noch weiter hoffähig machen.

Ihre judenfeindliche Weltsicht hat die AfD in öffentlichen Reden bereits hinreichend kundgetan.

BRIT MILA Zumal der Erkenntnisgewinn eines solchen Interviews bei jüdischen und erinnerungspolitischen Themen sehr überschaubar wäre. Der AfD ist hier nichts zu entlocken. Es gibt bei dieser Partei nichts zu enttarnen oder freizulegen. Es gibt bei den Rechtspopulisten keine zweite Ebene. Es liegt alles offen zu Tage.

Auch, wenn die Partei immer wieder ihr angeblich so gutes Verhältnis zum jüdischen Staat betont: Ihre judenfeindliche Weltsicht hat die AfD in öffentlichen Reden bereits hinreichend kundgetan. Die fürs Judentum essenzielle Brit Mila? Soll verboten worden. Koscheres Fleisch? Ebenfalls.

Mit Politikern, die den Holocaust als »Vogelschiss der Geschichte« und das Holocaustmahnmal in Berlin als »Schande« bezeichnen, gibt es für uns nichts zu besprechen. Eine Partei mit einem gefährlichen Scharfmacher samt bester Neonazi-Kontakte als Landeschef disqualifiziert sich ohnehin von ganz alleine – und hat alle Fragen damit bereits selbst beantwortet.

engel@juedische-allgemeine.de

Daniel Neumann

Darmstadt: Diesmal ließ die Kirche Taten folgen

Nach dem antisemitischen Eklat in der Michaelsgemeinde greift die Evangelische Landeskirche entschlossen durch. Das verdient Anerkennung

von Daniel Neumann  12.03.2025

Sabine Brandes

Die stärksten Menschen der Welt

Die ehemaligen Geiseln Eli Sharabi und Yarden Bibas sind durch die Hölle gegangen. Kaum sind sie frei, setzen sie sich unermüdlich für die Rückkehr ihrer »Brüder und Schwestern« ein

von Sabine Brandes  12.03.2025

Meinung

An Purim wird »We will dance again« wahr

Das Fest zeigt, dass der jüdische Lebenswille ungebrochen ist – trotz der Massaker vom 7. Oktober

von Ruben Gerczikow  12.03.2025

Meinung

Die Gewalt in Syrien war absehbar

Islamisten tun, was sie immer getan haben: massakrieren, verstümmeln, unterdrücken

von Ninve Ermagan  11.03.2025

Meinung

Warum wir über Antisemitismus unter Syrern sprechen müssen

Immer wieder fallen syrische Geflüchtete mit antisemitischer Gewalt auf, zuletzt am Wochenende in München. Um solche Taten künftig zu verhindern, braucht es eine rationale Analyse statt trotziger Reflexe

von Joshua Schultheis  11.03.2025

FDP

Duell der Silberrücken

Die möglichen Bewerber um eine Parteiführung der Liberalen, Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Wolfgang Kubicki, beziehen sehr unterschiedlich Position zu Israel

von Ralf Balke  06.03.2025

Kommentar

Harte Haltung gegen die Hamas

Dass US-Präsident Donald Trump sich mit freigelassenen Geiseln traf, ist mehr, als große Teile der israelischen Regierung tun

von Sabine Brandes  06.03.2025

Sophie Albers Ben Chamo

Wo sind deine Frauen, o Israel?

Die Zahl der Ministerinnen und weiblichen Knessetmitglieder ist auf einem Tiefstand. Der Internationale Frauentag wäre für Israel ein guter Zeitpunkt, nach seinen starken Frauen zu suchen

von Sophie Albers Ben Chamo  06.03.2025

Meinung

Auf dem Juko wird gelacht und geweint

Der Jugendkongress fand dieses Jahr mit 400 jungen Jüdinnen und Juden in Hamburg statt. Dort herrschte eine ganz besondere Atmosphäre

von Esther Rubins  05.03.2025