Zu den großen Vorzügen von uns Journalisten gehört es, dass man sich seine Interviewpartner aussuchen kann: Künstler, Staatschefs oder ganz normale Gemeindemitglieder. Die Erfahrung lehrt, dass fast jeder Mensch auf seine ganz eigene Art interessant ist und etwas zu erzählen hat.
Zu den großen Herausforderungen als Journalist dagegen gehört es, gelegentlich auch Anfragen von Menschen zu erhalten, die gerne einmal interviewt werden wollen, mit denen man aber keine 30 Sekunden alleine im Aufzug fahren will. In diese Kategorie fallen seit einigen Jahren vermehrt Politiker der AfD.
ANSCHEIN Nicht wenige Vertreter dieser Partei fühlen sich von der »Jüdischen Allgemeinen« unfair behandelt. Keiner setze sich so stark für die jüdische Gemeinschaft ein, wie sie es tun, betonen die Rechtspopulisten immer wieder. Keiner benenne den muslimischen Antisemitismus so schonungslos wie sie.
Besonderen Eindruck hinterließ in unserer Redaktion vor einiger Zeit der Anruf eines AfD-Spitzenpolitikers, der sich gerade am Toten Meer aufhielt. Ob wir ihm nicht Fragen zu seinem guten Verhältnis zu Juden stellen wollten, fragte er.
Wir sprechen nicht mit Politikern einer Partei, die vom Ortsverband bis hin zum Bundestag mit Rechtsradikalen gespickt ist.
Nein, wollten wir nicht. Um es ganz klar zu sagen: Wir sprechen nicht mit Politikern einer Partei, die vom Ortsverband über die Landesparlamente bis hin zum Bundestag mit Rechtsradikalen gespickt ist, auch wenn sie noch so sehr mit Tweedjackett oder Dreiteiler den Anschein der »Bürgerlichkeit« zu erwecken sucht.
NACHLÄSSIG Zugegeben: Ein hart geführtes und gut vorbereitetes Streitgespräch mit einem AfD-Politiker abseits von jüdischen Themen wäre spannend – und angesichts vieler mitunter eher nachlässig geführter Gespräche, gerade nach den Wahlen in Brandenburg und Sachsen – auch notwendig. Denn bei Fragen des Klimaschutzes, der Digitalisierung, Bildung und Kulturpolitik steht die AfD komplett entblößt da.
Doch auch diese Gespräche möchten wir als jüdische Zeitung, mit vielen Lesern und Autoren, deren Familienangehörige in der Schoa ermordet wurden, nicht führen. Es gibt schlicht Sachen, die gehören sich nicht. Wir wollen Rechtsradikalen keine Plattform geben und sie somit noch weiter hoffähig machen.
Ihre judenfeindliche Weltsicht hat die AfD in öffentlichen Reden bereits hinreichend kundgetan.
BRIT MILA Zumal der Erkenntnisgewinn eines solchen Interviews bei jüdischen und erinnerungspolitischen Themen sehr überschaubar wäre. Der AfD ist hier nichts zu entlocken. Es gibt bei dieser Partei nichts zu enttarnen oder freizulegen. Es gibt bei den Rechtspopulisten keine zweite Ebene. Es liegt alles offen zu Tage.
Auch, wenn die Partei immer wieder ihr angeblich so gutes Verhältnis zum jüdischen Staat betont: Ihre judenfeindliche Weltsicht hat die AfD in öffentlichen Reden bereits hinreichend kundgetan. Die fürs Judentum essenzielle Brit Mila? Soll verboten worden. Koscheres Fleisch? Ebenfalls.
Mit Politikern, die den Holocaust als »Vogelschiss der Geschichte« und das Holocaustmahnmal in Berlin als »Schande« bezeichnen, gibt es für uns nichts zu besprechen. Eine Partei mit einem gefährlichen Scharfmacher samt bester Neonazi-Kontakte als Landeschef disqualifiziert sich ohnehin von ganz alleine – und hat alle Fragen damit bereits selbst beantwortet.
engel@juedische-allgemeine.de