Der umstrittene israelfeindliche Influencer Tarek Baé behauptete kürzlich in einem Instagram-Post, eine israelische Staatsanwältin habe erklärt, es gebe keine Beweise für die Vergewaltigungen am 7. Oktober. Diese Leugnung sexueller Gewalt ist in der antiisraelischen Szene ein immer wiederkehrendes Narrativ, das nun durch angebliche Bestätigung seitens einer offiziellen Stimme aus Israel zusätzlich angeheizt wird.
Der deutsch-israelische Journalist Alon David (Autor für diese Zeitung) suchte das Gespräch mit der ehemaligen Staatsanwältin Moran Gez. In seinem auf YouTube veröffentlichten Interview stellte diese unmissverständlich klar, dass die Hamas sich schwerer Sexualstraftaten schuldig gemacht habe und die Vergewaltigungen stattgefunden hätten.
Gez‹ ursprüngliche Aussage war aus dem Kontext gerissen und verzerrt dargestellt worden. Sie hatte lediglich erklärt, dass es in einem fortschrittlichen und modernen Rechtssystem wie dem israelischen eine große Herausforderung darstelle, gerichtsfeste Beweise für diese Verbrechen zu erbringen. Aufgrund der Dimension der begangenen Verbrechen werde es Jahre dauern, um alles aufzuarbeiten – ein Prozess, der in der Geschichte des Landes beispiellos ist.
Tarek Baé hat also Fake News verbreitet. Der Schaden ist angerichtet: Seine mehr als 300.000 Follower sind in Aufruhr. Die Wahrheit spielt da kaum noch eine Rolle. Öffentliche Falschbehauptungen bieten Extremisten einen Freibrief, um noch gewaltbereiter gegen Aktivistinnen wie Karoline Preisler vorzugehen, deren stiller und mutiger Protest gegen sexuelle Gewalt viele zu triggern scheint.
Der ganze Diskurs um die Leugnung der Vergewaltigungen am 7. Oktober ist ein Verrat an Frauen - und zwar nicht nur an israelischen, sondern an allen Frauen, die Opfer sexueller Gewalt geworden sind. Und auch am jahrzehntelangen Kampf um die Anerkennung solcher Verbrechen.
Es ist wichtig zu begreifen, wie schwierig es ist, Beweise für sexuelle Straftaten zu sammeln im Kontext des Massakers vom 7. Oktober 2023. Das Ausmaß des Sadismus und der begangenen Gräueltaten waren so überwältigend, dass es fast unmöglich erscheint, jedes einzelne Verbrechen rechtssicher zu dokumentieren.
In Israel besuchten Alon David und ich das Rape Crisis Center und sprachen mit der Leiterin Orit Solitzeanu. Die Verbände der Krisenzentren für Vergewaltigungsopfer in Israel haben einen Sonderbericht mit dem Namen »Stiller Schrei - Sexuelle Gewaltverbrechen am 7. Oktober« veröffentlicht, in dem sie die bisher bekannten Fälle aufarbeiten.
Der Bericht stützt sich auf vier Quellen: internationale Recherchen, Zeugenaussagen von Ersthelfern wie den Mitarbeitern von ZAKA, Interviews mit Überlebenden, und vertrauliche Informationen, die an das Rape Crisis Center zugetragen wurden. Er zeigt deutlich, dass sexueller Missbrauch kein Einzelfall oder sporadische Fälle war, sondern vielmehr eine klare operative Strategie der Hamas.
Zahlreiche Zeugenaussagen und Teile von veröffentlichten und geheimen Informationen zeichnen ein klares Bild der Handlungsmuster, die sich in allen Angriffsgebieten wiederholten – beim Nova Festival, in den Kibbuzim in der Nähe zum Gazastreifen und in den Stützpunkten der IDF.
In den meisten Fällen wurden die Opfer nach oder sogar während der Vergewaltigung getötet. Viele Leichen von Opfern sexueller Straftaten wurden gefesselt aufgefunden. Die Genitalien von Frauen und Männern wurden brutal verstümmelt. Manchmal wurden Waffen in sie eingeführt. Eine Reihe von Zeugenaussagen belegen, dass Hamas-Terroristen sadistische Praktiken anwendeten, die darauf abzielten, den Grad der Demütigung und des Terrors, der mit sexueller Gewalt einhergeht, zu erhöhen.
Es ist nach wie vor sehr wahrscheinlich, dass die entführten Frauen und Männer in der Gefangenschaft der Hamas weiter sexuellem Missbrauch ausgesetzt sind. Das ganze Ausmaß ist nach wie vor nicht bekannt - und wird es vielleicht nie ganz werden können. Diejenigen, die sich dafür entscheiden, zu schweigen, andere zum Schweigen zu bringen oder die von der Hamas begangenen Sexualverbrechen zu leugnen, werden entsprechend in Erinnerung bleiben.
Es geht hier nicht um die Frage, ob es passiert ist. Es ist passiert.
Es geht darum, wann genug wirklich genug ist. Wie viele Fälle sadistischer Gewalt müssen noch nachgewiesen werden, damit die Welt endlich Mitgefühl für die Opfer des 7. Oktober zeigen kann?
Der Angriff der Hamas beinhaltete brutale sexuelle Übergriffe, die systematisch und vorsätzlich an israelischen Zivilisten verübt wurden. Die wiederholten Versuche, diese bestialischen Taten zu leugnen oder zu beschönigen, sind ein Verrat an elementaren Grundsätzen der Mitmenschlichkeit.
So viele Stimmen wurden an diesem Tag zum Schweigen gebracht und für immer ausgelöscht. Wir, die wir noch da sind, müssen Zeugnis ablegen und zu den Stimmen der Opfer werden – für all jene, die nicht mehr für sich selbst sprechen können.
Die Autorin ist Schauspielerin und lebt in Berlin. 2024 verbrachte sie mehrere Monate in Israel, um von dort über die Folgen des Massakers am 7. Oktober 2023 und die Angriffe der Hisbollah auf den Norden des Landes zu berichten.