Kommentar

Die UNRWA ist Teil des Problems - und nicht seine Lösung

Die UNRWA ist Geschichte. So wollte es eine breite Mehrheit in der Knesset. Dieser Schritt war überfällig, berechtigt - und dennoch falsch. Zumindest jetzt

von Georg M. Hafner  12.12.2024 15:49 Uhr

Georg M. Hafner

Die UNRWA ist Geschichte. So wollte es eine breite Mehrheit in der Knesset. Dieser Schritt war überfällig, berechtigt - und dennoch falsch. Zumindest jetzt

von Georg M. Hafner  12.12.2024 15:49 Uhr

Diese Hilfsorganisation war von Anfang an ein vergiftetes Projekt. Die historisch einmalige Gründung einer eigenen Organisation ausschließlich für palästinensische Flüchtlinge und all deren Kindes- und Kindeskinder wirkt, als hätten die UN ihren eigenen Teilungsbeschluss von 1947 zur Gründung des jüdischen Staates bereut und würden ihn möglichst rasch wieder loswerden wollen.

Anstatt nämlich für die von arabischer Seite abgelehnte Idee einer Zwei-Staaten-Lösung zu werben und Herzen und Hirne zu gewinnen für ein friedliches Miteinander, hat die UNWRA ihre Schutzbefohlenen immer wieder in der selbstzerstörerischen Illusion bestärkt, die ein ums andere Mal verlorenen Kriege gegen Israel eines Tages doch noch zu gewinnen, also den jüdischen Staat zu vernichten.

Und so wurden die Kränkung, das Scheitern, die Wut und der Hass durch die endlose Fortschreibung des Flüchtlingsstatus und der Abhängigkeit von Hilfsgeldern über Generationen weitergeben und die Perspektivlosigkeit zementiert, anstatt auf die arabischen Gastländer einzuwirken, die Menschen in den Flüchtlingslagern endlich bei sich zu integrieren. Man stelle sich nur kurz vor, Enkelkinder von Sudetendeutschen würden von der UN im Glauben gelassen, sie könnten eines Tages »heim ins Reich«, um zu begreifen, dass UNRWA nicht die Lösung, sondern Teil des Problems ist. 

Wenn die Zukunft in der Erfüllung der Verheißung der Vergangenheit besteht, dann gibt es keinen Kompromiss, keine Alternative zu Sein oder Nichtsein. So gesehen ist die UNRWA Teil der Vorgeschichte des 7. Oktober. Mitwirkung und Duldung haben eine skandalös lange Blutspur gezogen. Israel hat eine Liste von allein 100 Hamas-Terroristen namentlich benannt, die auf der Gehaltsliste der UNWRA gestanden haben und zum Teil selbst aktiv am Massaker und der Geiselnahme beteiligt gewesen sein sollen.

Da ist ein UNWRA-Sozialarbeiter dabei, den eine Überwachungskamera dabei filmt, wie er die Leiche des 21-jährigen Ayelet Samerano auf die Ladefläche seines Pickups wirft und anschließend die Wertsachen des Opfers plündert. Oder der UNWRA-Angestellte Mohammed Abu Attawi, der nahe des Kibbuz  Re’im seinen mörderischen Einsatz hatte. Die UN-Organisation leugnet, blendet aus, ignoriert. Als Attawi bei einer IDF-Operation Ende Oktober getötet wurde, beklagte der UN-Generalsekretär Guterres den Tod des Mitarbeiters und bestätigte damit indirekt die Kumpanei der Hilfswerker mit dem Terrorregime in Gaza.

Oder der Chef der UNWRA-Lehrergewerkschaft, der in Personalunion auch Chef der Hamas im Libanon gewesen sein soll. Er war einer der Lehrer, die 300.000 Kinder in 85 UNWRA-Schulen allein in Gaza unterrichtet haben, aber nicht etwa in der »Kultur des Respekts und der Toleranz«, wie es auf einer Homepage des Hilfswerks so blumig heißt, sondern im Hass auf alles Jüdische. 

»Ich bin sofort bereit, einen Juden abzustechen« - das sagt nicht ein vermummter Hamas-Terrorist, sondern ein Bub im Stimmbruch. »Ich bin bereit, einen Juden abzustechen und ihn mit einem Auto zu überfahren« – das sagt nicht ein Dschihadist, sondern ein kleiner palästinensischer Junge aus Ostjerusalem ohne Führerschein.

Schon vor 10 Jahren untersagte die Hamas den UNWRA-Schulen in frappierender Offenheit, Unterricht zum Thema Menschenrechte zu geben, das widerspräche »auf gefährliche Weise der palästinensischen und islamischen Kultur«. So wuchsen immer neue Generationen von Terroristen heran. Unter der Obhut der UN wurde die Hamas gestärkt und Judenhass finanziert - in Schulbüchern, im Lehrplan, im Unterricht. 
Mit 30.000 Mitarbeiter ist das Hilfswerk der mit Abstand größte und attraktivste Arbeitgeber für Palästinenser. Entsprechend vergibt die Hamas die begehrten Jobs gern als Belohnung für die eigenen Leute.

Schon 2004 musste der damalige UNWRA-Generalkommissar Peter Hansen einräumen, dass natürlich Hamas-Leute auf der UN-Gehaltsliste stünden, aber nur, wenn sie ein Formular unterschrieben hätten, dass sie an keinen politischen Aktivitäten teilnehmen würden. Eine Selbstverpflichtung, von der alle wussten, wie lächerlich sie war. 
Im Oktober übermittelte die UN jetzt Israel ihren Prüfbericht zur Verstrickung der UNRWA mit der Hamas – mit seitenlangen Schwärzungen. »Null Transparenz führt zu Null Handlung«, twitterte Botschafter Ron Prosor.

Alle Verantwortlichen haben alle Augen zugedrückt und die Hamas gewähren lassen. Man war eins mit den Terroristen und »niemand wird uns trennen« prahlte der frühere UNWRA-Generalsekretär Pierre Krahenbuhl schon 2017 bei einem Treffen mit dem Hamas-Außenminister und schwärmte »vom Geist der Partnerschaft«. Gut, dass das ein Ende hat, ist man versucht zu glauben.

Aber wenn ein solcher Arbeitgeber wegfällt, ist das ein sozialer Sprengstoff, der schon bald explodieren könnte und damit auch die Front an der Westbank unkalkulierbar entflammt. Und in Gaza droht ohne die UNRWA-Hilfslieferungen tatsächlich die schon lange beschworene Hungerkatastrophe. Sie wäre genau das, was der bisher eher dürftigen Beweislage einer Anklage gegen Israel wegen Völkermords noch fehlt.

Vor allem aber ginge die Rechnung der Hamas einmal mehr auf. Sie hofft auf genau diese Bilder. Sie sind ihre wirksamste Munition im Medienkrieg. An dieser Front verliert Israel ohnehin täglich eine Schlacht nach der anderen. Schon jetzt stehen nicht etwa die Skandale der UNWRA im Mittelpunkt der Berichterstattung, auch nicht die Plünderungen von Hilfslieferungen durch die Hamas, sondern die drohenden Folgen eines Endes der UNWRA. Auch dass die Hilfsorganisation seit August lediglich für 13 Prozent der Hilfslieferungen nach Gaza verantwortlich ist, spielt keine Rolle.

Natürlich könnten andere sofort in die Bresche springen, aber sie werden es nicht tun. Abgesehen davon, dass es offenbar auch hier enge Verflechtungen gibt, wenn die israelische Behauptung stimmt, dass ein Mitarbeiter von World Central Kitchen als Beteiligter am Morden im Kibbuz Nir Oz am 7. Oktober enttarnt und deshalb von der IDF getötet worden sei. Die Hilfsorganisation hat nun Ende November ihre Arbeit in Gaza eingestellt. Andere Hilfsorganisationen werden folgen. Zu groß ist das Risiko, zwischen die Fronten zu geraten und entweder bei Kämpfen versehentlich getötet zu werden oder als politische Verräter an der palästinensischen Sache dazustehen und damit der Hamas in den Rücken zu fallen.

Es sei nur ein »neuer Weg gefunden, Kinder zu töten« polemisierte UNICEF sofort nach der israelischen Entscheidung, die Lage für die Zivilbevölkerung werde durch diese Entscheidung »nur noch viel schlimmer« sekundierte UN Human Rights und die Rufer, Israel aus der UN zu werfen, nehmen bereits Anlauf. Schon jetzt sind die Elendsbilder aus Gaza kaum zu ertragen und der Hinweis, die Hamas sei an allem schuld, wird umso weniger verfangen, je länger das Leid der Zivilbevölkerung andauert.

Israel wird die Hilfe also selbst übernehmen müssen. Das aber wäre nicht nur lebensgefährlich für die beteiligten IDF-Kräfte, sondern auch bedrohlich für die israelische Demokratie. Eine humanitär begründete Dauerpräsenz in Gaza würde die extremistischen Kräfte der Regierung in ihren Siedlerphantasien stärken. Den Preis dafür würden Palästinenser und Israelis zahlen. 

Das Gesetz ist nun da, seine Umsetzung aber sollte aufgeschoben und eine Übergangszeit für einen echten Neustart genutzt werden. Es ist die Chance, die UN endlich zu Reformen zu zwingen. Das allerdings setzt voraus, dass es der Weltgemeinschaft endlich wirklich um eine bessere Zukunft für die palästinensischen Kinder geht. »UNRWA ist nicht neutral, wenn sie so etwas lehren«, erklärte der luxemburgische Außenminister Xavier Bettel kürzlich einem Verantwortlichen in Ramallah, und hielt ihm ein Schulbuch mit antisemitischer Hetze unter die Nase. »Sie sind nicht perfekt«, sagte er und mahnte: »aber Sie können besser werden«.

Der Autor ist freier Journalist und lebt in Frankfurt.

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