Terror und Gewalt, das wissen Historiker wie Despoten gleichermaßen, spiegeln sich stets auf einer zweiten Ebene – als Krieg der Worte. Das war früher so, wenn die Propaganda irgendwelcher Potentaten deren Gräueltaten schönreden ließ. Und das ist heute bei einer Vielzahl deutscher Medien – ob Print, TV oder online – so, wann immer Israel in einer Situation ist, sich um seiner Existenz willen wehren zu müssen.
Der Begriff der Täter-Opfer-Umkehr, ursprünglich von skrupellosen Verteidigern in den USA benutzt, um Vergewaltigungs- oder Rassismus-Opfern eine Mitschuld an den Verbrechen gegen sie anzuhängen, ist auch in der modernen Antisemitismusforschung bekannt. Ob er den meisten Journalistenkollegen hierzulande geläufig ist, darf bezweifelt werden. Fakt ist, dass im Kontext mit Israel in den meisten Fällen die Ratio komplett aussetzt.
LOGIK So schrieb die Deutsche Presse-Agentur, nachdem am 12. Mai in Gelsenkirchen Terror-Sympathisanten minutenlang »Scheiß-Juden« gebrüllt hatten, in einer ersten Fassung, »während der unangemeldeten Versammlung seien auch anti-israelische Rufe skandiert worden«. Man muss schon die Juden pars pro toto für verachtenswert halten, damit diese Logik auch der Semantik standhält.
Für den Paradigmenwechsel bei der Wahrnehmung Israels zu sorgen, ist der Job von Politik und Mehrheitsgesellschaft.
In den Nachrichtensendungen der Öffentlich-Rechtlichen hingegen gibt es ein anderes Phänomen – das der Verharmlosung durch Einzelbegriffe (und somit Schuldumkehr). Da wird die Hamas, von EU und USA als Terrororganisation definiert, als »radikal-islamisch« bezeichnet und deren Terrorkämpfer sind »radikale Palästinenser«. Warum nicht einfach Terroristen sagen?
Weil dann das ganze argumentative Konstrukt der »Spirale der Gewalt« zusammenbräche, dieses Begriffs, der suggeriert, es stünden sich zwei Kriegsparteien auf Augenhöhe gegenüber – und nicht vom Iran gesponserte Terrorbanden, die einen demokratischen Staat mit Raketen eindecken. Es ist eben kein »Konflikt«, der »eskaliert«, indem Israel »unverhältnismäßig« reagiert.
IGNORANZ Da es in unserer Medienlandschaft im Unterschied zu Diktaturen nichts Systemisches gibt, also keine politische Autorität steuert, welche Meinung wo erscheinen darf, kann es sich folglich bei dem Verhalten so vieler Kollegen im Fall Israel nur um Ignoranz oder ideologische Tat handeln.
Beides ist schwer zu kurieren. Doch diese Heilung darf nicht die Aufgabe der Juden hierzulande sein. Für den Paradigmenwechsel bei der Wahrnehmung Israels zu sorgen, das ist der Job von Politik und Mehrheitsgesellschaft. Damit der Krieg der Worte nicht von deutschen Journalisten geführt wird. Und auch, damit »Scheiß-Juden« ein Fall für die Gerichte wird.
Der Autor ist freier Redakteur.