Marina Chernivsky

Unbehagen an der Gegenwart

OFEK-Geschäftsführerin Marina Chernivsky Foto: Rolf Walter

Geschichte wird tradiert. Sie wirkt bis heute mächtig in den Familien, zwischen den Generationen und auch in den Selbstverständnissen von Bildungsinstitutionen. Auf die Geschichte wird stets Bezug genommen, sei es in der Analyse gegenwärtiger Entwicklungen, der Deutung antisemitischer Vorfälle und auch in der Konzeptionierung präventiver Strategien.

In der Schule bilden etwa der Nationalsozialismus und die Schoa einen Lerngegenstand, mit dem eine Fülle moralischer Erziehungsziele verbunden ist. Es dominiert die Vorstellung, die Erziehung über Auschwitz könne zwangsläufig gegen Antisemitismus immunisieren. Dass dem nicht so ist, erahnen wir aus der doch sichtbaren antisemitischen Grundstimmung.

FOLGEWIRKUNGEN Historisches Bewusstsein ist zweifellos eine wichtige Grundlage für spätere Ansichten. Es gibt aber nicht die eine Geschichte, sondern viele verschiedene Geschichten, die erst vor dem Hintergrund der eigenen Biografie bei den Nachkommen wirksam werden.

Erst durch das Begreifen der weitreichenden Konsequenzen, die diese Geschichte für alle Beteiligten hinterlassen hat, gewinnen wir Aufschluss darüber, was das alles mit uns heute zu tun hat. In der Bildung ist es unbedingt erforderlich, neben der Faktizität des Geschehenen auch die Folgewirkungen, vielleicht auch das Unbehagen an der Gegenwart, offen und mutig zu thematisieren.

Es sollen Räume geschaffen werden,
die Reflexion ermöglichen.

Ein verordneter, reflexartiger Rückgriff auf »Nie wieder« nach jedem antisemitischen Anschlag verharmlost die Gegenwärtigkeit der Erinnerungsverweigerung und die Kontinuität antisemitischer Ressentiments. Die Vermittlung des historischen Bewusstseins soll zu kritischen Positionen anregen, hinsichtlich der eigenen Sozialisation und Familiengeschichte, Erinnerungsabwehr und fortwirkenden Ressentiments.

Es sollen Räume geschaffen werden, die eine solche Reflexion ermöglichen, um die Paradigmen der historisch-politischen Praxis um diese Aspekte zu erweitern. Sonst hilft es weder jenen, die in ihren Einstellungen adressiert, noch denen, die den verheerenden Wirkungen der Geschichte in Form von Aggressionen und Übergriffen nahezu täglich ausgesetzt sind.

Die Autorin leitet das Kompetenzzentrum für Prävention und Empowerment der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST).

Joshua Schultheis

Netanjahu muss sein Schweigen brechen

Auf einer Konferenz forderten selbst Likud-Abgeordnete die Wiederbesiedlung von Gaza. Der Premier sollte endlich einschreiten

von Joshua Schultheis  23.10.2024

Meinung

Die Linke auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit

Wenn sie nicht gegen ihre Israelfeinde vorgeht, wird sie zur irrelevanten Splitterpartei

von Joshua Schultheis  22.10.2024

Essay

Warum Juden in Deutschland zur »Heimatfront« geworden sind

Unsere Gastautorin Esther Schapira über die kurze Erleichterung nach dem Tod Sinwars und den antisemitischen Dammbruch in der Bundesrepublik

von Esther Schapira  20.10.2024

Kommentar

Zeit für den Rücktritt, Aydan Özoguz!

Die Bundestagsvizepräsidentin hat sich für ihr hohes Amt ein für alle Mal als untauglich erwiesen. Ein Kommentar

von Daniel Neumann  19.10.2024

Meinung

Beim Israelhass bleibt Sarah Wagenknecht sich treu

Die Partei der ehemaligen Linken-Politikerin ist auf stramm antizionistischem SED-Kurs

von Volker Beck  16.10.2024

Meinung

Sukkot und die Asyldebatte

Das Laubhüttenfest ist eine gute Gelegenheit, sich daran zu erinnern, dass es auch heute noch Vertriebene und Geflüchtete gibt – und dass sie nicht nur unserer Empathie, sondern auch unserer Hilfe bedürfen

von Joshua Schultheis  16.10.2024

Meinung

Appeasement mit genozidalen Terroristen?

Wieder einmal zieht die Welt die falschen Konsequenzen aus der Geschichte

von Jacques Abramowicz  16.10.2024

Meinung

Friedenshindernis UNIFIL

Die UN-Friedenstruppe im Südlibanon hat versagt - und lässt sich von der Hisbollah als Schutzschild missbrauchen

von Alon David  16.10.2024

Meinung

Demütigende Vorwände

Dass ausgerechnet Deutschland mithilfe fadenscheiniger Vorwände Israel dringend benötigte Hilfe verweigern wollte, ist beschämend

von Nils Kottmann  15.10.2024