Gute Worte gab es seit mehr als zwölf Jahren keine. Wenn überhaupt gesprochen wurde, waren es Beschuldigungen, die man einander aus der Ferne an den Kopf warf. Vor Kurzem dann flog der israelische Präsident Isaac Herzog in die Türkei. Es war der erste Staatsbesuch aus Jerusalem seit 2008. Mit ihm in der Maschine war die Hoffnung, dass die einstigen engen Verbündeten wieder zueinander finden könnten.
Bei dem Besuch wurden Nettigkeiten und archäologische Artefakte ausgetauscht, ein Gegenbesuch versprochen. Es ist gut, dass man wieder miteinander redet. Denn Freunde sind wichtig, vor allem inmitten einer der schwersten Krisen, die die Welt in den vergangenen Jahrzehnten gesehen hat, dem Einmarsch Russlands in die Ukraine.
eigennutz Ob der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan allerdings als echter Freund Israels bezeichnet werden kann, ist fraglich. Zwar gab er sich neben Herzog versöhnlich und bezeichnete Antisemitismus als »Verbrechen gegen die Menschlichkeit«, doch es geht dabei eher um Eigennutz als um eine plötzlich gefundene Humanität.
Im Hinblick auf die zunehmende Isolierung der Türkei in der Region und die schwere Wirtschaftskrise im Land muss Erdogan dringend sein Image aufpolieren.
Im Hinblick auf die zunehmende Isolierung der Türkei in der Region und die schwere Wirtschaftskrise im Land muss Erdogan dringend sein Image aufpolieren. Neben Israel versucht er, die Beziehungen zu anderen Nahost-Ländern zu verbessern, allen voran Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate. Jerusalem versteht sich mit ihnen seit den Abraham-Abkommen prächtig, während Ankara immer mehr ins Abseits gerät.
freundschaft Wenn die Israelis den Türken wieder freundlicher gesinnt sein wollen, müssen sie darauf achten, dass das strategische Bündnis mit Griechenland und Zypern keinen Schaden nimmt. Gut, dass Herzog vor seinem Türkei-Besuch nach Athen und Nikosia flog, um klarzustellen, dass die Freundschaft bestehen bleibt.
Israel tut gut daran, in die ausgestreckte Hand Erdogans einzuschlagen. In der Gefahr, in der sich die Welt momentan befindet, sollte jedes Angebot zur Versöhnung in Betracht gezogen werden. Zu schnell könnte die brennende Lunte in Osteuropa auch den Nahen Osten in Brand stecken – und dann ist jeder Feind einer zu viel.
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